Herztransplantation in Zeiten der COVID 19 - Pandemie
Erfreulicherweise ist die Organspende im Zusammenhang mit den Einschränkungen der Corona-Pandemie in Deutschland nicht massiv zurückgegangen. Lagen die Spenderzahlen im Januar und Februar noch um fast 30 Prozent höher als im Vergleichszeitraum 2019, reduzierte sich dieser Zuwachs auf 1,7 Prozent bis Ende September. Wie dieser Trend sich bis zum Ende des Jahres 2020 fortsetzen wird, kann erst am Ende des Jahres beurteilt werden.
Nach aktuellen Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) wurden bis November 2020 bereits insgesamt 278 Herzen postmortal in Deutschland gespendet.
„Nach dem Negativrekordjahr 2017 mit nur 257 transplantierten Herzen konnte im Jahr 2019 ein Anstieg auf 333 Herztransplantationen verzeichnet werden. Nach jetzigem Stand ist davon auszugehen, dass trotz der aktuellen Umstände kein gravierender Rückgang für 2020 zu erwarten ist“, erklärt Prof. Dr. Jan Gummert, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie e.V. (DGTHG).
Herztransplantierte Menschen gehören insbesondere vor dem Hintergrund ihrer Medikamente gegen die Organabstoßung zur Hoch-Risikogruppe. Bis dato haben sich nach einer Datenerhebung in allen herzchirurgischen Zentren (Stand 26. Juni 2020) 21 herztransplantierte Menschen mit dem SARS-CoV2-Virus infiziert. 38 Prozent der Betroffenen mussten beatmet werden, 33 Prozent von diesen sind verstorben. „Durch die komplexe Herz-Erkrankung sind Patienten mit Spenderherz sehr gefährdet und müssen besonders geschützt werden“, betont Prof. Jan Gummert.
Weitere Informationen unter https://www.dgthg.interplan.de und im aktuell vorgestellten Deutschen Herzbericht 2019 unter https://www.herzstiftung.de/herzbericht
Deutscher Herzbericht 2019 bestätigt hervorragende herzchirurgische Versorgung in Deutschland
(Frankfurt a.M., 12.11.2020) Vom Säugling bis zum Senior: Bundesweit und flächendeckend sind die Deutschen seitens der Herzchirurgie auf Spitzenniveau bestens versorgt. So zeigt es der aktuell in Frankfurt am Main vorgestellte Deutsche Herzbericht 2019. Generell sind Herzerkrankungen weiterhin vor Krebsleiden mit Abstand die Todesursache Nummer eins in Deutschland. Zu sehen ist dies im Kontext des demographischen Wandels und der altersbedingten, erworbenen Herzerkrankungen. „Die Herzchirurgie in Deutschland ist seit Jahren auf einem konstant hohen Qualitätsniveau und gewährleistet die bestmögliche und patientenindividuelle Versorgung“, erklärt Prof. Dr. Jan Gummert, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG). „Im Jahr 2018 wurden in den insgesamt 78 deutschen Fachabteilungen für Herzchirurgie 98.707 Herzoperationen durchgeführt, davon 11.147 (11,3%) als Notfälle. Inkludiert man alle erfassten Eingriffskategorien der DGTHG-Leistungsstatistik und zählt Herzschrittmacher- und Defibrillator-Eingriffe, sowie die Operationen der herznahen Hauptschlagader ohne Einsatz der Herz-Lungen-Maschine dazu, summiert sich die Gesamtzahl auf 174.902 im Jahr 2018.“
Im Mittelpunkt der aktuell 1.094 tätigen Herzchirurg*innen stünde immer die Verbesserung der Lebenserwartung und Lebensqualität herzkranker Patienten. „Die moderne High-Tech-Medizin sowie die Weiterentwicklung innovativer Operationstechniken und -verfahren erlauben eine stetige Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten, dies auch im Kontext des steigenden Patientenalters“, so Herzchirurg Gummert.
Alter herzchirurgischer Patienten steigt im Kontextdes demographischen Wandels
Die Alterung der Bevölkerung spiegelt sich auch bei Patienten, die eine Herzoperation benötigen wider, und folgt in ihrer Häufigkeit dem demographischen Wandel. Unterteilt nach Altersgruppen, zeigt sich für die ab 80Jährigen ein Anstieg um 3,9 Prozent auf 16,7 Prozent aller operierten Herzpatienten, während der Anteil der Patienten in der Altersgruppe der 70-bis 80Jährigen von 38,2 Prozent (2011) auf 33 Prozent (2018) im selben Zeitraum gesunken ist. Ein weiterer prozentualer Zuwachs um 0,5 bzw. 1,8 Prozent ist in den Altersgruppen der 50- bis unter 60Jährigen und 60-bis unter 70Jährigen zu beobachten. Trotz dieser demographischen Entwicklungen lag die Überlebensrate weiterhin nahezu konstant bei ca. 97 Prozent.
Erfreulicher Anstieg: 2018 mehr Herztransplantationen
Erfreulicherweise ist die Anzahl der Spenderherzen und damit die Zahl der Herztransplantationen gestiegen: Nach dem Negativrekordjahr 2017 mit nur 257 transplantierten Herzen konnte im Jahr 2018 ein Anstieg auf 318 Herztransplantationen verzeichnet werden. Die DGTHG begrüßt sehr die offensichtliche Zunahme der Organspendebereitschaft. Mit der fachgesellschaftseigenen Kampagne, gestartet im Februar 2020 und unterstützt u.a. von dem herztransplantierten Berliner Alexander Zielke, sensibilisieren die Herzchirurg*innen weiter für das Thema Organspende und werben dafür, sich auch weiterhin intensiv mit der komplexen Thematik zu befassen. „Das menschliche Herz ist derzeit unersetzbar; die Transplantation ist die beste Option für geeignete Patient*innen im Endstadium einer Herzschwäche“, betont Prof. Gummert.
Herzunterstützungssysteme zur Überbrückung bis zur Transplantation oder als alternative Dauertherapie
Mechanische Herzunterstützungssysteme sind für schwerkranke Herzpatienten sowohl eine Option bis zur Transplantation, aber auch eine dauerhafte Therapiemöglichkeit. Die Zahl der implantierten Herzunterstützungssysteme ist von insgesamt 1.027 im Jahr 2017 auf 942 im Jahr 2018 gesunken, wobei die sog. Links-/Rechtsherz-Unterstützungssysteme bei 97 Prozent der Patienten zum Einsatz kommen (903 LVAD, linksventrikuläres Herzunterstützungssystem/16 BVAD, biventrikulärer Herzunterstützung). Eine untergeordnete Rolle spielen die implantierbaren Kunstherzen („total artificial heart“ TAH/Vollkunstherz) mit einer Zahl von 23 Implantationen.
Covid-19 beeinflusst aktuell nicht die Spendebereitschaft
Organspender werden auch weiterhin dringend benötigt. Allein in Deutschland warten rund 9.000 Menschen auf geeignete Spenderorgane (Herz, Niere, Leber etc.). Erfreulicherweise hat die Corona-Pandemie keine bisher bekannten, direkten Auswirkungen auf die Spendebereitschaft in Deutschland. Nach neuesten Angaben der DSO (Deutsche Stiftung Organtransplantation) wurden im Jahr 2020 bereits insgesamt 278 Herzen postmortal in Deutschland gespendet (Stand November 2020).
Covid-19 und herztransplantierte Patienten
Bis dato haben bei einer Datenerhebung in allen Zentren (bis 26. Juni 2020) 21 herztransplantierte Menschen mit dem SARS-CoV2-Virus infiziert. 38 Prozent davon mussten beatmet werden; 33 Prozent sind von diesen verstorben. „Herztransplantierte Patient*innen gehören durch Ihre komplexe Erkrankung wie auch die Notwendigkeit der Unterdrückung des Immunsystems klar zur Hoch-Risikogruppe und müssen geschützt werden“, betont Prof. Jan Gummert.
Koronare Bypass-Versorgung: Kombinationseingriffe erfordern Abstimmung im Herz-Team.
Im Jahr 2018 wurden bundesweit 44.270 (2017: 47.673) isolierte und kombinierte koronare Bypass-Operationen durchgeführt, bei ca. 87 Prozent unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine. Die Koronare Bypass-Operation und Herzklappenchirurgie sowie weitere Eingriffe werden häufig kombiniert (33.999 Bypass-Operationen zzgl. 8.370 Herzklappenoperationen und 1.901 weitere Eingriffe). Infolgedessen ist die interdisziplinäre Abstimmung im etablierten Herz-Team obligat unter Einhaltung der nationalen und europäischen Leitlinien: Bei der koronaren 3-Gefäß-Erkrankung und der Hauptstammstenose empfehlen diese eindeutig (IA-Empfehlung) eine koronare Bypass-Operation. Insbesondere Patienten mit Diabetes mellitus profitieren langfristig von dem herzchirurgischen Eingriff. Signifikante Vorteile haben ebenfalls Patienten mit einer eingeschränkten LV-Funktion und solche, bei denen vorangegangene Katheterinterventionen (PCI) nicht zu einem stabilen Langzeiterfolg geführt haben.
Herzklappenoperationen sind Teamarbeit: Etabliertes Herz-Team obligat bei Entscheidungsfindung
Welche Therapie für welche Patient*innen in Frage kommt, muss im interdisziplinären Herz-Team gemäß den nationalen und europäischen Leitlinien abgestimmt werden. Die Anzahl der Herzklappenoperationen steigt im Kontext des Patientenalters, da die Aortenklappenstenose (Verengung der Aortenklappe) und die Mitralklappeninsuffizienz (Undichtigkeit der Mitralklappe) die häufigsten erworbenen, altersbedingten Herzklappenerkrankungen sind. Insgesamt wurden 2018 bundesweit 34.915 (2017: 34.394) Herzklappeneingriffe vorgenommen. Auf Platz eins der operationsbedürftigen Herzklappenerkrankungen steht die Aortenklappenstenose mit 9.829 konventionellen Aortenklappenoperationen (2017: 10.556). Beim Ersatz der Aortenklappe wird zu 90 Prozent eine biologische und zu 10 Prozent eine mechanische Prothese implantiert, da eine gute Haltbarkeit der biologischen Prothesen im Kontext mit dem zumeist hohen bzw. noch zu erwartendem Lebensalter der Patienten nachgewiesen ist. Die Altersgruppe der 70-bis 80Jährigen Patienten stellt mit 38,3 Prozent die größte Altersgruppe dar; gefolgt von den 60- bis 70Jährigen mit 32,2 Prozent
Die zweithäufigste konventionell chirurgisch behandelte Herzklappenerkrankung ist mit 6.222 herzchirurgischen Eingriffen im Jahr 2018 die Mitralklappeninsuffizienz (2017: 6.311). Bei der Behandlung gilt die Mitralklappen-Rekonstruktion nach wie vor als Gold-Standard. Für bestimmte Herzklappentherapien (TAVI, MitraClip), die von Herzchirurgen und Kardiologen gemeinsam durchgeführt werden, muss die „Richtlinie minimalinvasive Herzklappeninterventionen“ des Gemeinsamen Bundesausschusses (2015) obligat eingehalten werden.
„In jedem Falle wollen wir die bestmögliche Therapie für jeden Herz-Patienten“, erklärt Prof. Gummert. „Daher ist die interdisziplinäre und multiprofessionelle Konsensfindung im Team ein überaus wertvolles und zielführendes Instrument, um jeden Herz-Patienten mit bestmöglichem Wissen beraten und behandeln zu können.“
Punk, „Pumpe“ und Plakate – Berliner Szene-Kneipen unterstützen Organspende-Kampagne
(Berlin, 31.10.2020) Bunt und schrill sind die Organspende-Plakate der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG): Mexikanischer Totenkopf auf orangenem Hintergrund, dazu die Botschaft: Stirb nachhaltig. Schenk Leben nach Deinem Leben. „Das Motiv und die Botschaft haben mich sofort angesprochen“, sagt Alexander Zielke. Vor einem Jahr hat der 52jährige Berliner ein neues Herz bekommen. Die Auseinandersetzung mit dem Leben und dem Tod hat ihn auch den mexikanischen Tag der Toten betrachten lassen, der die Toten würdigt, das Leben feiert und den Tod als Bestandteil des Lebens sieht. „Organspende ist ein wichtiges Thema, das uns alle angeht“, betont Alexander Zielke. Seiner Initiative der Kontaktaufnahme mit der DGTHG und dem darauffolgenden Engagement ist es zu verdanken, dass Berliner Szene-Kneipen sich an der Kampagne beteiligen und die Plakate aushängen. „Mein Spender schenkte mir eine zweite Chance für mein Leben. Dafür bin ich bin unendlich dankbar und engagiere mich gerne für dieses wichtige Thema“, erklärt der Berliner Film- und Kulturschaffende. In bekannten Berliner Szene-, Kultur- und Punk-Kneipen wie dem SO36, der Franken-Bar oder dem Clash hängen jetzt die progressiv-provokanten Plakate mit dem Aufruf, Organspender zu werden. Dreihundert Organspende-Ausweise sind bereits verteilt. Eintausendfünfhundert sollen folgen, ebenso wie noch mehr Aushänge in weiteren Kult-Kneipen. Begleitet wurde die Aktion von Dr. Andreas Beckmann, Herzchirurg und Geschäftsführer der DGTHG und Regina Iglauer-Sander, Pressereferentin der DGTHG. „Wir sehen jeden Tag herzkranke Menschen, die um ihr Leben kämpfen. Letztes Jahr haben die 339 Herz-Spender den schwer herzkranken Patienten eine neue Lebenschance geschenkt. Aktuell warten ca. 9.000 Menschen bundesweit auf ein Spenderorgan. Genau das ist das Motto unserer Kampagne: Schenk Leben nach Deinem Leben“, so Beckmann. „Wir freuen uns sehr und sind dankbar, dass unsere Kampagne zu der Kooperation mit dem herztransplantierten Alexander Zielke geführt hat.“
Organspende-Kampagne in der Kreuzberger Szene-Kneipe „Clash“ im Mehringhof: Stefan Springer (Clash), Nico Zielke mit ihrem herztransplantierten Ehemann Alexander Zielke, Dr. Andreas Beckmann, Geschäftsführer der DGTHG (v.l.n.r.) und der tierische Unterstützer „Malko“
©DGTHG/Fotos: David Außerhofer (ausserhofer.de)
Herztransplantierter Patient Alexander Zielke und Herzchirurg Dr. Andreas Beckmann beim Anbringen der Organspende-Plakate im Kreuzberger „Clash“.
©DGTHG/Fotos: David Außerhofer (ausserhofer.de)
Organspende-Kampagne der DGTHG von Berliner Herzempfänger promotet
(Berlin, 31.10.2020) Vor einem Jahr hatte der schwer herzkranke Berliner Alexander Zielke ein neues Herz erhalten. Der Film- und Kulturschaffende Kreuzberger engagiert sich seitdem für das Thema Organspende und wurde auf die Kampagne der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie e.V. (DGTHG) in den Medien aufmerksam. Die Plakat-Aktion der herzchirurgischen Fachgesellschaft mit dem Motiv Día de Los Muertos soll alle Menschen in Deutschland, vorrangig jedoch die Zielgruppe der 20 bis 40jährigen, sensibilisieren und ermutigen, sich mit dem Thema Organspende auseinander zu setzen. „Mich hat das sofort angesprochen“, sagt Alex Zielke. „Ich habe mich intensiv mit dem mexikanischen Tag der Toten auseinandergesetzt, bei dem der Tod als Teil des Lebens verstanden wird. Das war hilfreich in meiner Situation.“
Zu den typischen Feierlichkeiten des Tages der Toten gehören die bunten Calaveras (Schädel) und Calacas (Skelette), Sinnbild der engen Verbindung von Leben und Tod. Heutzutage sind die Feierlichkeiten zum Día de los Muertos eine Mischung aus prähispanischen, religiösen Riten und christlichen Festen. Das Prozedere beginnt am 31. Oktober und erstreckt sich dann über den 1. und 2. November – Allerheiligen und Allerseelen im katholischen Kalender.
„Es ist wichtig, einen neuen Umgang mit dem Thema zu finden“, meint der Berliner. „Zahl der Menschen, die auf ein geeignetes Spenderorgan warten liegt aktuell bei 9.000.“
Auf Alexander Zielkes Initiative hin wurden die Organspende-Plakate in den Berliner Szene-Locations ins Kreuzberg verteilt, aufgehangen und fanden großen Zuspruch. „Es brauchte keine große Überzeugungsarbeit“, verriet der Berliner. „Alle waren sofort dabei.“ In den bekannten Berliner Kultur- und Szenelocations wie dem SO36, Franken oder Clash hängen jetzt die bunten, progressiv-provokanten Plakate mit dem Aufruf, Organspender zu werden. Dreihundert Organspende-Ausweise sind bereits verteilt. Eintausendfünfhundert sollen folgen, ebenso wie der Aushang in weiteren Kult-Kneipen.
Begleitet wurde die Aktion von Dr. Andreas Beckmann, Herzchirurg und Geschäftsführer der DGTHG. „Wir sehen jeden Tag herzkranke Menschen, die um ihr Leben kämpfen. Als Gesellschaft, insbesondere aber auch jeder Einzelne, sollte sich en détail mit dieser komplexen Thematik befassen. Genau das wollen wir mit unserer Organspende-Kampagne erreichen: Intensives Nachdenken. Im besten Fall die Bereitschaft, Organspender zu werden. Dabei gehen wir mit gutem Beispiel voran. Die DGTHG-Mitglieder sind in überragender Mehrheit Organspender.“
Bundesweit gab es im letzten Jahr 932 Organspenderinnen und Organspender. Das entspricht 11,2 Organspendenje eine Million Einwohner. Jeder der 932 Spender hat im Durchschnitt mehr als drei schwerkranken Patienten eine neue Lebenschance geschenkt. „Genau das ist das Motto unserer Kampagne: Schenk Leben nach Deinem Leben“, so Beckmann.
Neueste Leistungsstatistik der DGTHG dokumentiert exzellente herzchirurgische Patientenversorgung in Deutschland
Die alljährlich publizierten herzchirurgischen Zahlen und Fakten der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie e.V. (DGTHG) zeigen die bundesweite, herzchirurgische Versorgung auf konstant hohem Niveau.
Leichter Anstieg der herzchirurgischen Operationen im Vergleich zum Vorjahr
Die herzchirurgischen Leistungszahlen – kategorisiert nach Eingriffen und Überlebensraten – werden alljährlich von der Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) veröffentlicht. Bundesweit ist die durchgängig flächendeckende Patientenversorgung durch die 78 etablierten Fachabteilungen für Herzchirurgie und insgesamt ca. 980 tätigen Fachärzte für Herzchirurgie gesichert. Im letzten Jahr ist die Gesamtzahl der Herz-Operationen im engeren Sinne leicht um 1,8 Prozent angestiegen und liegt bei 100.446 Eingriffen (2018: 98.707). Inkludiert man alle erfassten Eingriffskategorien und zählt Herzschrittmacher- und Defibrillator-Eingriffe, sowie die Operationen der herznahen Hauptschlagader ohne Einsatz der Herz-Lungen-Maschine dazu, summiert sich die Gesamtzahl auf 175.705 im Jahr 2019 (Eingriffe im Jahr 2018: 174.902).
Deutlich höheres Alter der am Herzen operierten Patienten
In den letzten zehn Jahren (2009-2019) ist Anzahl der herzchirurgischen Operationen bei Patienten der Altersgruppe 70+ deutlich angestiegen. Trotz der jährlichen Zunahme älterer Patienten in den herzchirurgischen Fachabteilungen, blieben die Krankenhaus-Überlebensraten in den einzelnen Eingriffskategorien durchweg stabil. Im Jahr 2019 waren 33,5 Prozent der Patienten 70 bis 79 Jahre; 18,6 Prozent sogar 80 Jahre und älter. Die Gruppe der über 80jährigen nahm im vergangenen Jahr um 6,2 Prozent zu und machte 18,6 Prozent aller operierten Herzpatienten aus. Die nahezu gleichbleibende Überlebensrate von ca. 97 Prozent spiegelt die erfolgreiche sowie qualitativ hochwertige herzchirurgische Versorgung von älteren und hochbetagten Patienten.
Koronare Bypass-Operationen stiegen leicht an
Für das Jahr 2019 ist ein leichter Anstieg der isolierten koronaren Bypass-Operationen von 0,66 Prozent auf 34.224 zu verzeichnen (2018: 33.999) bei gleichzeitigem Anstieg (0,2 Prozent) der Überlebensrate auf 97,3 Prozent. Die Durchführung der koronaren Bypass-Operationen mit weiteren Prozeduren lag 2019 bei 9.869 im Vergleich zum Vorjahr 2018 mit 10.264.
Herzklappeneingriffe steigen seit Jahren an
Bundesweit ist die Aortenklappenstenose derzeit die häufigste invasiv therapierte Herzklappenerkrankung, gefolgt von der Mitralklappeninsuffizienz. Wurden 2018 noch 34.915 isolierte Herzklappen-Operationen gezählt, waren es im vergangenen Jahr bereits 36.650 – eine Steigerung von ca. 4,7 Prozent. Der überwiegende Teil der Herzklappen-Operationen betrifft die Aortenklappe. Bei 9.391 Patienten wurde im letzten Jahr eine isolierte herzchirurgische Aortenklappenoperation mit Anwendung der Herz-Lungen-Maschine durchgeführt (2018: 10.022). In weiteren 1.358 Kombinations-Eingriffen wurde die Aortenklappe ersetzt und gleichzeitig auch die Mitralklappe rekonstruiert oder ersetzt. Durch den Einsatz kathetergestützter Therapieverfahren stieg die Zahl der Eingriffe bei Patienten mit erworbenen Herzklappenerkrankungen in den letzten zehn Jahren spürbar an. Die Entscheidung für eine herzchirurgische Operation oder das kathetergestützte Therapieverfahren erfolgt anhand wissenschaftlicher Leitlinien, in denen u.a. ein etabliertes interdisziplinäres Herzteam obligat ist.
Rekonstruierte Mitralklappe ist Goldstandard
Bei den 6.419 (2018: 6.222) isolierten Mitralklappen-Operationen setzte sich der Trend der letzten Jahre fort: Bei rund zwei Drittel bzw. 64,5 Prozent (+0,2% im Vergleich zum Vorjahr mit 64,3%) der Operationen konnte die patienteneigene Mitralklappe rekonstruiert werden, wobei die Überlebensrate bei 98,9 Prozent lag. In den übrigen 2.279 Eingriffen wurde die Mitralklappe herzchirurgisch durch eine Prothese ersetzt. Dies auch vor dem Hintergrund, dass nicht jeder Herzklappenfehler für eine Rekonstruktion zugänglich ist. Die In-Hospital-Überlebensraten stieg auf 99,2 Prozent für die Rekonstruktionen.
Herzunterstützungssysteme als alternative Therapie
Die Zahl der implantierten Herzunterstützungssysteme für schwerst-herzinsuffiziente Patienten ist von 942 im Jahr 2018 auf insgesamt 953 im vergangenen Jahr angestiegen, wobei die sog. Links-/Rechtsherz-Unterstützungssysteme bei 97 Prozent der Patienten zum Einsatz kommen (924 L/RAVD im Vorjahr: 903). Eine eher untergeordnete Rolle spielen die biventrikulären Herzunterstützungssysteme mit einer Zahl von 14 Implantationen in 2019 (Vorjahr: 16) und die sogenannten Kunstherzen (Total artificial heart) mit verpflanzten 15 TAH in 2019 (2018:23).
Mehr Spenderherzen verpflanzt
Erfreulicherweise ist die Anzahl der Spenderherzen und damit die Zahl der Herztransplantationen um 6,7 Prozent gestiegen: von 312 (2018) auf 333 im vergangenen Jahr. Die DGTHG begrüßt die steigende Organspendebereitschaft und weist gleichzeitig darauf hin, dass rund 10.000 Menschen bundesweit auf ein geeignetes Organ warten. Mit der eigenen Kampagne der Fachgesellschaft, gestartet im Februar 2020, wollen die HerzchirurgenInnen weiter für das Thema sensibilisieren, denn bis dato gibt es keinen adäquaten Ersatz für das menschliche Herz.
Die gesamte Leistungsstatistik (Folien und Report) steht zum kostenfreien Download unter:
DGTHG veröffentlicht Fachbuch zur „Mechanischen Unterstützung im akuten Kreislaufversagen“
Herz-Kreislauf-Unterstützungssysteme haben in den letzten Jahren in der Herzmedizin zunehmend an Bedeutung gewonnen. Das Prinzip dieser komplexen Systeme, deren Indikation und Anwendung sowie damit verbundene, mögliche Risiken oder Komplikationen, greift das neue Fachbuch „Mechanischen Unterstützung im akuten Kreislaufversagen“ der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie e.V. (DGTHG) dezidiert auf. Neben der differenzierten Darstellung der verfügbaren Medizinprodukte, werden in dem Buch auch medizinische Grundlagen wie die Pathophysiologie des Schocks oder das Gerinnungsmanagement angesprochen. Des Weiteren werden auch spezifische Aspekte wie der Krankentransport oder die Besonderheiten der Anwendung von Unterstützungssystemen bei Kindern berücksichtigt. Die erfolgreiche und enge Zusammenarbeit von HerzchirurgInnen und KardiotechnikerInnen zeigt sich nunmehr im fünften publizierten, gemeinsam verfassten Fachbuch, verfasst unter der Federführung der DGTHG-Arbeitsgruppe „Extrakorporale Zirkulation und Mechanische Kreislaufunterstützung“ und mit herzmedizinischer Expertise von insgesamt 26 AutorInnen.
DGTHG: Zertifikat „Invasive Therapie der Herz- und Lungeninsuffizienz“
Herz- und/oder Lungenunterstützungssysteme dienen als komplexe Therapieverfahren, um schwerstkranke Patienten mit terminaler oder chronischer Herz- und Lungeninsuffizienz im Endstadium zu behandeln. Da diese therapeutischen Optionen besonderer Kenntnisse sowie spezieller Expertise bedürfen, bietet die Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie e.V. (DGTHG) Fachärzten für Herzchirurgie, nach Absolvierung einer entsprechenden Fortbildungszeit und Erfüllung definierter Kriterien, die Möglichkeit, diese Zusatzqualifikation durch das Zertifikat „Invasive Therapie der Herz- und Lungeninsuffizienz“ nachzuweisen. Neben den spezifischen Kenntnissen aus den Fachgebieten der Herzchirurgie, Kardiologie, Kinderkardiologie, Infektiologie und Intensivmedizin, ist insbesondere auch spezifisches Fachwissen zu offen chirurgischen und endovaskulären Implantationstechniken notwendig. Neben dem theoretischen Wissenserwerb, ist der Nachweis der praktischen Kompetenz Voraussetzung für den erfolgreichen Abschluss, zu dem 30 Im- und 20 Explantationen von temporären Herz-/und Lungen-Unterstützungssystemen sowie 15 Implantationen permanenter, mechanischer Herz-/Lungen-Unterstützungssysteme gehören. Mit erfolgreich bestandener Prüfung hat das Zertifikat eine Gültigkeit von fünf Jahren. Alle Information zu diesem und weiteren Zertifikaten sind unter https://www.dgthg.interplan.de/akademie/zertifikatezu finden.
Die inhaltlichen Anforderungen können hier eingesehen werden:
https://www.dgthg.de/upload/DGTHG_Kriterien_ECLS.VAD_V1.0_2020.pdf
Schulterschluss der Herzmedizin: Wir dulden keinen Rassismus
(Berlin, 20. Mai 2020) Gemeinsam zeigen die medizinischen Fachgesellschaften und die Patientenorganisation der Herzmedizin mit ihrer Kampagne „Herzmedizin gegen Rassismus“, dass Toleranz, Integration und Vielfalt die gemeinsamen Werte sind, die sie vertreten. Man schätze die Kolleginnen und Kollegen aus anderen Herkunftsländern, arbeite Hand in Hand, kollegial und einvernehmlich, mit dem Ziel, alle Patienten bestmöglich herzmedizinisch zu beraten und versorgen, so die Gesellschaften und die Herzstiftung.
De facto ist in Deutschland die herzmedizinische Versorgung nur kontinuierlich auf hohem Niveau, flächendeckend durchführbar und jederzeit zu bewerkstelligen, weil ausländische Kolleginnen und Kollegen, oder solche mit Migrationshintergrund, in deutschen Kliniken als Ärztinnen und Ärzte oder in den Bereichen der Forschung und Pflege arbeiten, so der Konsens. Dies zeige sich nochmal deutlicher in Krisenzeiten, wie aktuell der COVID-19-Pandemie. Wertschätzung und Respekt sind – nicht nur in der Medizin – die Grundpfeiler, die eine aufgeklärte und offene Gesellschaft ausmachten. Im Kontext des 75. Jahrestages zum Kriegsende des 2. Weltkriegs und der aufkeimenden, verschiedentlichen extremistischen Strömungen mit Fremden- und Demokratiefeindlichkeit sowie Antisemitismus, sei es nach Angaben der vier herzmedizinischen Organisationen zum jetzigen Zeitpunkt wichtig, ein eindeutiges Signal zu setzen.
Die gemeinsame Aktion wird getragen durch die medizinischen Fachgesellschaften der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie e.V. (DGTHG) als Initiator, der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie und Angeborene Herzfehler e.V. (DGPK), der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. (DGK) und der Deutschen Herzstiftung e. V. als Patientenorganisation.
Raumfahrt relevant für die Erforschung von Herz-Kreislauferkrankungen
Grenzen überwinden, Horizonte erweitern war das Motto der gemeinsamen Jahrestagungen der DGTHG und DGPK. Ein Highlight: Die Interaktion mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Zur Eröffnungsfeier gab Dr. -Ing. Thomas Reiter Einblicke in die Raumfahrt. Der ESA-Astronaut war in den Jahren 1992 bis 2007 als achter Deutscher mehrfach im Weltall. In der russischen Raumstation Mir absolvierte er 1995/96 den ersten ESA-Langzeitflug überhaupt und unternahm als erster Deutscher einen Weltraumausstieg. Auch auf der ISS war er 2006 der erste europäische Langzeitflieger. Heute ist Thomas Reiter ESA-Koordinator und Berater des Generaldirektors. Im persönlichen Gespräch vertieft der Astronaut spannende Einblicke und erklärt die wissenschaftliche Forschung im Weltraum, u.a. im Kontext der Herzmedizin.
DGTHG-Tagungspräsident (links) Prof. Dr. Artur Lichtenberg mit Astronaut Dr.-Ing. e.h. Thomas Reiter und DGPK-Tagungspräsident Prof. Dr. Phillip Beerbaum, ©DGTHG
Herr Dr.-Ing. Reiter, wie wird der Körper insbesondere im Hinblick auf das Herz-Kreislaufsystem auf den Aufenthalt im Weltraum vorbereitet?
Während der gesamten Vorbereitungszeit ist Sport ein zentraler Trainings-bestandteil. Die körperliche Leistungsfähigkeit ist Grundvoraussetzung für den Aufenthalt im Weltraum. Es gilt die lateinische Redewendung Mens sana in corpore sano – ein gesunder Geist sei in einem gesunden Körper. Wir müssen mental und physisch topfit sein. Bis zum Tag des Starts gehört ergo das tägliche Sportprogramm zum Tagesablauf, meist als Kombination von Ausdauer- und Kraftsport. Aber auch das Reaktionstraining hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Während zu Beginn meiner Aus- und Vorbereitungszeit vorrangig Fußball gespielt wurde, hat sich mehr und mehr Badminton etabliert. Dieser Sport fordert eine schnelle Aktion und Reaktion, ist ideal für die Beweglichkeit und trainiert überdurchschnittlich gut die Kondition. Intensität und Abwechslung des täglichen Sportprogramms sorgen dafür, dass wir ein gut trainiertes Herz-Kreislaufsystem haben, welches den überdurchschnittlichen Anforderungen gewachsen ist.
Thomas Reiter war der erste ESA-Astronaut auf einer Langzeitmission auf der Internationalen Raumstation. Seine Mission Astrolab dauerte von Juni bis Dezember 2006. Hier zu sehen bei einem 54-minütigen Weltraumspaziergang, bei dem Wartungsarbeiten durchgeführt wurden.
©NASA
Welche Voraussetzungen müssen Astronauten insbesondere körperlich erfüllen?
Wir müssen eine Vielzahl von Voraussetzungen erfüllen. Die eigentliche Vorbereitungszeit auf den Aufenthalt im Weltraum dauert 2 bis 2,5 Jahre. In dieser Zeit werden grundlegende Ausbildungen, wie zum Beispiel der Umgang mit den Bordsystemen, vermittelt. 18 Monate verbringen wir mit der missionsspezifischen Ausbildung unserer Aufgaben für die wissenschaftliche Tätigkeit, durchzuführende Wartungsarbeiten und den Außenbordeinsatz. Soweit der theoretische Teil. Der Aufenthalt im Weltraum bedeutet umfangreiche physiologische Herausforderungen und Veränderungen. Die Frequenz der medizinischen Untersuchungen erhöht sich, je näher wir dem Starttermin kommen. Jeder ESA-Astronaut durchläuft vor und nach seinem Aufenthalt im All verschiedene medizinische Untersuchungen im Flugmedizinischen Zentrum des Instituts für Luft- und Raumfahrt in Köln. Die entsprechenden Daten werden jeweils vor und nach einer Mission erhoben und mögliche Risiken und Einschränkungen beurteilt. Alle Untersuchungen, wie z.B. MRT-Messungen, EKG, Fitness-Tests und Augenuntersuchungen werden methodisch mit exakt denselben Messgeräten identisch durchgeführt, damit die Daten nach der Rückkehr vergleichbar sind. Die Erhebung humanphysiologischer Daten (Baseline Data Collection, BDC) ist ein wichtiger Bestandteil des Direct Return und dient als Referenz für den Vergleich der Messungen vor, während und nach Missionen ins All. Mit anderen Worten:
Wir werden vor und nach dem Aufenthalt im All permanent überprüft und getestet, damit die körperliche Leistungsfähigkeit überprüft und dokumentiert ist.
Darf ein Astronaut keinerlei Vorerkrankungen haben?
Generell muss ein sehr guter Gesundheitszustand gegeben sein. Dazu gehört, dass es keine gravierenden Vorerkrankungen gibt. Sicherlich darf man heute mit Zahnfüllungen in den Weltraum fliegen. Auch eine korrigierende Brille darf getragen werden, wobei hier die Sehhilfe individuell zu beurteilen ist. Im Zuge der medizinischen Entwicklung und verfeinerten Diagnostik, einschließlich der bildgebenden Verfahren, sind Mediziner heute in der Lage, den Körper anders zu beurteilen als es noch vor einigen Jahren der Fall war; ein entscheidendes Sicherheitsfaktum.
Welche Voraussetzungen müssen Bewerber generell erfüllen?
Bewerber kommen aus verschiedenen Disziplinen und sind oftmals diplomierte Luft- und Raumfahrtingenieure. Das Auswahlverfahren erstreckt sich insgesamt etwa über ein halbes Jahr und impliziert zahlreiche Tests, beginnend mit der psychologischen Selektion. Es folgen umfangreiche medizinische Untersuchungen in allen Disziplinen. Man wird quasi einmal komplett auf den Kopf gestellt. Circa ein Prozent aller Bewerber erfüllen die Voraussetzungen und Kriterien dieses strengen Einstellungstests. In den folgenden 18 Monaten der Grundausbildung gehören medizinische Überwachungen und Tests zum Alltag. Alle 6 bis 8 Wochen finden Untersuchungen statt. Alljährlich werden, wie bei der Fliegerei, Basis-Checks vorgenommen, wie Hör- und Sehtests, allgemeine Tauglichkeit, Blutbild etc. Die psychische und physische Tauglichkeit sind Grundvoraussetzungen für die Raumfahrt und dienen der eigenen Sicherheit und der der gesamten Crew.
Der ESA-Astronaut Thomas Reiter, Expedition 13 Flugingenieur 2, arbeitet am 3. August 2006 während eines 54-minütigen Weltraumspaziergangs an einer Kühlleitung am S1-Fachwerk der Internationalen Raumstation. Der Weltraumspaziergang war Teil seiner Astrolab-Mission, der ersten Langzeitmission der ESA zur Station.
©NASA
Welche Maßnahmen werden auf der Weltraumstation getroffen, um den Körper –insbesondere das Herz-Kreislaufsystem – fit zu halten?
Sport gehört auch auf der Weltraumstation zum täglichen Programm – sieben Tage die Woche. Summa summarum werden hierfür inkl. Vorbereitung, Umziehen, Aufbau und Körperpflege ca. 2,5 Stunden brutto pro Tag veranschlagt. Das heißt, effektiv wird ca. 1,5 bis 1,75 Stunden am Tag trainiert. Ich habe meist am Vormittag und abends mein Programm absolviert. Die Kombination aus Ausdauer- und Kraftsport ist auch auf der Raumstation entscheidend. Auf einem Fahrradergometer oder Laufband – hier muss man sich vorher festschnallen wegen der Schwerelosigkeit – können wir Ausdauersport betreiben. Dank des Krafttrainers können wir heute auch statisch das Knochengerüst und die Muskeln belasten, so dass mehr Muskelmasse erhalten bleibt.
Welche körperliche Erfahrung bringt der Aufenthalt im Weltraum mit sich?
Die Effekte auf den menschlichen Körper sind enorm. Doch ich muss auch sagen, dass das Gefühl der Schwerelosigkeit sehr angenehm ist und nicht belastet.
Wie wirkt sich dies insbesondere auf das Herz-Kreislaufsystem aus?
Das Herz hat es viel einfacher, Blut durch den Körper zu pumpen, weil in der Schwerelosigkeit kein hydrostatischer Druckgradient existiert. Als Folge wird die Regulierung des Blutdrucks „träge“. Astronauten zeigen eine sog. orthostatische Intoleranz und eine reduzierte kardiovaskuläre Kapazität. In Folge wird das Gewebe mit bis zu 30 Prozent weniger sauerstoffreichem Blut versorgt. Da man in der Schwerelosigkeit nicht mehr sein eigenes Gewicht sprichwörtlich tragen muss, kommt es zum Muskelabbau. Das betrifft auch das Herz als Hohlmuskel. Das ist ein Grund, warum unser tägliches Fitness-programm so wichtig ist für unsere Gesundheit.
Welche weiteren medizinischen Effekte zeigt die Schwerelosigkeit?
Wie erwähnt, beginnen die Knochen zu demineralisieren. Dem wirken wir durch das Krafttraining auch entgegen. Auf Grund der Degradation des Immunsystems in der Schwerelosigkeit, müssen wir zwei Wochen vor dem Start in Quarantäne, damit eine mögliche Infektion erkannt wird, denn in der Regel dauert eine Inkubationszeit nicht länger als 14 Tage. Ein weiterer Effekt ist die Einschränkung des Gleichgewichtssinns und die Verschlechterung des Kurzzeitgedächtnisses. All diese körperlichen Effekte sind analog zum menschlichen Alterungsprozess. Die Raumstation ist daher ein idealer Ort, um Gesundheitsforschung auch in Hinblick auf die Alterung zu betreiben.
Nehmen Astronauten im Weltraum bestimmte Medikamente ein?
Es gibt auf der Raumstation kein frisches Gemüse. Wir nehmen Vitaminpillen als Ausgleich zu uns. Ebenso nehmen wir ein Medikament, dass die Bildung von Nierensteinen unterbindet. Die Demineralisierung der Knochen beginnt mit dem Aufenthalt im Weltraum und schreitet kontinuierlich über die gesamte Zeit im All fort, so dass vermehrt Kalzium ausgeschieden wird, was die Nieren belastet. So war es zu meiner Zeit auf der ISS im Jahr 2006. Der technische und medizinische Fortschritt findet hier immer neue und effizientere Wege zur Gesundheitserhaltung und Prävention.
Wer beauftragt die naturwissenschaftlichen/medizinischen/technischen etc. Tests und wie ist die prozentuale Aufsplittung?
Der Großteil der Forschung wird über Steuergelder finanziert. Die Forschungsteams arbeiten institutionell übergreifend, aber auch konkret für zum Bespiel das Max-Planck-Institut, die Charité oder auch Medizinproduktehersteller. Wir könnten ca. 30 Prozent der Ressourcen für weitere industrielle Kunden nutzen. Der Markt öffnet und entwickelt sich dahingehend. Die internationale Raumstation wird weltweit von mehr als 100 Ländern genutzt, entsprechend braucht es eine faire Splittung. Die Europäische Weltraumorganisation ESA forscht zu einem weiteren Spektrum, das nahezu gleichmäßig aufgeteilt wird: 20 Prozent Medizin, 20 Prozent Physik, 20+ Prozent Biologie und Biotechnologien, sowie 20+ Prozent für neue Technologien. Die restlichen Prozentpunkte werden für Forschungsprojekte von Schulen und Universitäten bereitgehalten. Forschungsvorschläge werden hier ausgewertet, damit Duplizierungen vermieden werden. Die gleichmäßige Austeilung der Bereiche erlaubt uns ein ausgewogenes Arbeiten. Es gibt Länder, die einen klaren Schwerpunkt definiert haben. Japan beispielsweise forscht zu 60 bis 80 Prozent im Bereich Biologie und Biotechnologie.
Welche Erkenntnisse konnten für das Immunsystem gewonnen werden, zum Beispiel für die Transplantation im Kontext zu Immunsuppressiva?
In den westlichen Industrieländern leiden rund 20 Prozent der Bevölkerung an Autoimmunerkrankungen wie Allergien oder Morbus Chron. Der Weltraum ist ein idealer Ort zur Erforschung des Immunsystems und zum Verständnis der Abläufe der körpereigenen Abwehr. Die Immunmechanismen sind in der Schwerelosigkeit gedämpft und sehr verlangsamt, da die Aktivierung der Immunzellen unterdrückt wird. Dadurch lassen sich Funktionsabläufe besser untersuchen. Die Forschung an Bord der ISS hat zur Entwicklung einer neuartigen Behandlung gegen solche Autoimmunerkrankungen beigetragen.
Stichwort Human Emulation System; erklären Sie bitte kurz „personalisierte Organ Chips.
Das Ziel des „Human Emulation Systems“ ist es, eine Organ-on Chip-Technologie zu entwickeln. Die Organ Chips, basierend auf körpereigenen Stammzellen des Menschen, sollen es möglich machen, die Wirkung von neu entwickelten Medikamenten systemisch in einem humanen Modell zu testen und zu überprüfen. Für Transplantierte würde dies zum Beispiel bedeuten, dass im Vorfeld getestet werden könnte, welches immunsuppressives Medikament in welcher Dosierung für den Patienten das Geeignetste ist. Auch könnte vor einer Operation bereits festgestellt werden, wie die Reaktion auf ein bestimmtes Medikament ist. Diese Entwicklung ist noch in einem frühen Stadium. Ziel wird es sein, aus Stammzellen eines individuellen Patienten personalisierte Organ-Chips für ein weites Spektrum individualisierter Gesundheitsanwendungen zu entwickeln. Auf der ISS erforschen wir hierzu die Kapillarströmungen, welche im Kontext des verlangsamten Immunsystems ebenfalls eingeschränkt sind. Von besonderer Bedeutung ist auch die Funktion von Proteinen. Als Botenstoffe koordinieren sie innerhalb des Immunsystems gezielte Angriffe auf Keime, die schon in die Köperzellen eingedrungen sind. Proteinketten sind fragil, aber in der Schwerelosigkeit stabiler und daher besser zu beobachten.
Welche weiteren neuen Forschungsansätze gibt es für die Herzmedizin?
Im letzten Jahr erhielt Emiliano Bolesani von der Medizinischen Hochschule Hannover, den ersten Preis der Sommerschule zur kosmischen Strahlenforschung. Bolesani wollte herausfinden, wie Herzzellen pathophysiologisch reagieren, wenn sie kosmischer Strahlung ausgesetzt sind. Der Wissenschaftler nutzte für die Kultivierung Stammzellen von Herzgewebestrukturen. Diese sollen auf der Empfängerseite des Teilchenbeschleunigers im GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt platziert werden. Die Innovation dieses Ansatzes besteht in der Verwendung von Herz-Mikrogeweben, um die Zellzusammensetzung des menschlichen Herzens nachzuahmen. Bolesani erforscht, welche Zellarten – Kardiomyozyten, Endothelzellen, glatte Muskulatur oder Fibroblasten – am anfälligsten für durch Strahlung hervorgerufene Schädigungen sind und will herausfinden, wie sie sich gegenseitig beeinflussen. Die dabei generierten Daten tragen zum Aufbau eines analytischen Modells bei, mit dem vorhergesagt werden kann, wie Zellen miteinander interagieren, wenn sie Strahlung ausgesetzt sind. Diese Forschung hat direkte Auswirkungen auf die Begrenzung unerwünschter Nebenwirkungen auf das Herz-Kreislauf-System nach einer Strahlentherapie.
Das Vorgehen ließe sich zukünftig auch auf andere Organe ausweiten. Dies dient nicht nur dem Schutz der Astronauten im Weltall. Künftig sollen Astronauten vor und nach dem Raumflug Stammzellen entnommen werden, die dann miteinander verglichen werden können. Gewebe und Organe könnten dann in vitro gezüchtet und im Strahl eines Teilchenbeschleunigers platziert werden, um zu sehen, wie sie auf diese simulierte kosmische Strahlung reagieren. So kann diese Studie Aufschluss darüber geben, welche zellulären und molekularen Mechanismen der individuellen Reaktion auf kosmische Strahlung zugrunde liegen. Die Untersuchungen des Herz-Kreislauf-Systems nach einer Strahlentherapie sind relevant für die Herzmedizin, aber auch die Onkologie.
Kosmische Strahlung kann das Krebsrisiko bei Langzeitmissionen erhöhen. Schäden am menschlichen Körper erstrecken sich auf Gehirn, Herz und das Zentralnervensystem und bilden die Grundlage für degenerative Erkrankungen. Ein höherer Prozentsatz der früh einsetzenden Katarakte wurde bei Astronauten berichtet. Das Magnetfeld und die Atmosphäre der Erde schützen uns vor dem ständigen Beschuss mit galaktischen kosmischen Strahlen - energetischen Teilchen, die sich mit nahezu Lichtgeschwindigkeit fortbewegen und in den menschlichen Körper eindringen. Eine zweite Quelle für Weltraumstrahlung sind unvorhersehbare Sonnenpartikelereignisse, die in kurzer Zeit hohe Strahlungsdosen abgeben und zu einer „Strahlenkrankheit“ führen, sofern keine Schutzmaßnahmen getroffen werden.
©NASA
Wie und wann erhält der Auftraggeber die Testergebnisse?
Der aktuelle Status Quo-Bericht sowie die Übermittlung von Forschungsergebnissen werden in „Echtzeit“ vorgenommen. Der Austausch funktioniert auch auf der Raumstation gut, da wir mittlerweile über gute Kommunikationssysteme verfügen. Finale Analysen, Aufbereitungen und Dokumentationen finden dann nach Abschluss des Aufenthaltes im Weltraum statt.
ESA-Astronaut Thomas Reiter arbeitet mit Probenröhrchen im Zvezda-Servicemodul der Internationalen Raumstation.
©NASA
Welche Einschränkungen gibt es während des Aufenthaltes?
Der Aufenthalt im All ist trotz Schwerelosigkeit kein „Spaziergang im Park“: Begrenzter Raum in technischer Umgebung. Allerdings entschädigt der Ausblick. Rund 30 Prozent der täglichen Arbeit besteht aus Bedienung und Wartung der Bordsysteme und Dokumentation der Forschungsergebnisse – sieben Tage die Woche. Wie bereits dargestellt, gehört auch der tägliche Sport zum Programm.
Wie haben Sie Kontakt zu Ihrer Familie?
Die Kommunikation ist heute gut gelöst, so dass ich von der ISS jede beliebige Telefonnummer wählen kann, sofern Verbindung zum geostationären Satelliten besteht, was für die überwiegende Zeit eines Orbits der Fall ist. Am Wochenende gibt es eine Videokonferenz mit der Familie. Das war nicht immer so. Auf der russischen Raumstation Mir konnten wir nur einmal in der Woche Verbindung aufnehmen; Videoschaltungen waren nur zur russischen Kontrollzentrale möglich, bei der sich dann die Familie einfinden musste – also keine sehr private Atmosphäre.
Wie lange dauert es nach dem Weltraumaufenthalt, bis der Körper sich wieder „angepasst“ hat?
Direkt nach der Landung, also mit Einwirkung der Schwerkraft auf den Körper, beginnt die Anpassung. Man muss sich zunächst wieder daran gewöhnen, wie schwer der eigene Körper ist. Auch die Effekte auf den Gleichgewichtssinn wirken stark nach. Man kann nach der Landung zwar stehen und auch gehen, aber nicht parallel den Kopf drehen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Einen Walzer würde ich nach Landung nicht tanzen wollen und können. Nach zwei Wochen hat sich auch die Regulierung des Blutdrucks regeneriert und nach ca. sechs Wochen hat man sein Fitness-Level wie vor dem Start wieder erreicht. Die Remineralisierung der Knochen dauert am längsten und nimmt die gleiche Zeitspanne in Anspruch, die man im Weltraum verbracht hat. Natürlich war man im All auch einer Strahlung ausgesetzt, die zu Gen-Defekten geführt hat, welche aber nur marginal sind und weitgehend ausgeglichen werden. Ich würde sagen, nach sechs bis acht Wochen funktioniert der Körper wieder „normal“.
Was fasziniert Sie an Ihrem Beruf? Was ist herausfordernd?
Als ich elf Jahre alt war, habe ich wie Millionen anderer Menschen verfolgt, wie Neil Armstrong die ersten Schritte auf den Mond gemacht hat. Ich war fasziniert; Feuer und Flamme und wusste „Das will ich auch machen“. Astronaut werden – ja, das war ein Kindheitstraum. Mir 14 Jahren machte ich den Segelflugschein, nach dem Abitur studierte ich Luft- und Raumfahrttechnik. Mir war bewusst, dass die Wahrscheinlichkeit, jemals in das All zu fliegen, praktisch gleich Null war. Es war ein langer Weg bis zur Raumstation. Der erste Blick vom Orbit auf die Erde ist kaum zu beschreiben und unvergesslich. Ich habe realisiert „Mensch, jetzt bist Du tatsächlich im All“, ein unbeschreibliches Gefühl. Die Kombination aus Schwerelosigkeit, also Körperlosigkeit, und Ausblick auf die Erde ist faszinierend, fast euphorisierend. 90 Minuten dauert ein Orbit. Man kann Europa mit einem einzigen Blick überschauen – aus 400 Kilometern Entfernung. Gleichzeitig wurde ich mir der Verletzlichkeit des Ortes bewusst. Die Atmosphäre erscheint hauchdünn und zeigt sich in verschiedenen Blautönen, welche die Fragilität nur noch mehr unterstreicht. Man erkennt die riesigen Rodungsflächen Südamerikas und die Rauchfahnen der Waldbrände bis in die Atmosphäre hinein. Die täglichen Nachrichten lesen sich im All anders…Mir wurde da oben nochmals klar, dass wir alle an einem Strang ziehen müssen, um unsere Probleme zu lösen….
Fachgesellschaft Deutscher Herzchirurgen startet Organspende-Kampagne
Die Herztransplantation ist für viele herzkranke Menschen die einzige langfristige Überlebenschance. Die Spenderbereitschaft in Deutschland ist im Vergleich zu den europäischen Nachbarstaaten verhältnismäßig gering, so dass eine bundesweite Neuregelung der Organspende zur Debatte stand. Vorgesehen war die Widerspruchslösung: Jeder Bundesbürger ist automatisch Organspender, wenn der nicht bereits zu Lebzeiten explizit der Organspende widerspricht. Dieser Gesetzesentwurf fand im Deutschen Bundestag keine Mehrheit und wurde letztlich abgelehnt, obschon dieses Verfahren breiten Zuspruch in der Bevölkerung fand. Jetzt bleibt nur noch die bessere Aufklärung, in der Hoffnung, dass sich mehr Menschen mit der Organspende auseinandersetzen.
9.000 Menschen warten auf ein Spenderorgan
Die Lage ist dramatisch und die aktuelle Entscheidung wird nach Aussage der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie e.V. (DGTHG) zu keiner nennenswerten Verbesserung führen. „Mehr als dreimal so viel Menschen warten aktuell auf ein Spenderherz, denn keine geeigneten Organe stehen zur Verfügung“, erklärt Prof. Dr. Jan Gummert, Präsident der DGTHG.
Im vergangenen Jahr haben in Deutschland 932 Menschen nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe für eine Transplantation gespendet. Jeder der 932 Spender hat im Durchschnitt mehr als drei schwerkranken Patienten eine neue Lebenschance geschenkt. Gleichzeitig waren zum Jahresende jedoch mehr als 9.000 Menschen für eine Transplantation registriert.
Differenzierte Begleitung des Themas Organspende; im Fokus: Aufmerksamkeit und Aufklärung
Nach Ansicht der DGHTG braucht es einen neuen Ansatz: „Wir haben unsere Organspende-Kampagne gestartet, weil wir vor allem die Zielgruppe der 20 bis 40jährigen sensibilisieren und ermutigen wollen, sich mit dem Thema auseinander zu setzen“, erklärt Herzchirurg Gummert. „Es ist wichtig, dass ein Umdenken erfolgt; wir den Tod als Teil des Lebens verstehen und gleichzeitig achtsam mit dem Thema, den Familien und der sicher ausgewöhnlichen Situation umgehen. Dazu gehören die professionelle Begleitung und der sensible Umgang mit der Thematik ebenso wie die lückenlose Aufklärung.“
Organspende-Kampagne mit Motiv Día de Muertos
Einen neuen Ansatz fand die DGTHG mit dem Día de Muertos, dem Tag der Toten, welcher als Feier des Lebens und des Todes heute nicht nur im Ursprungsland Mexiko, sondern auch in ganz Lateinamerika gefeiert wird und in jüngster Zeit auch in Deutschland an Bedeutung gewinnt. Verstorbene Familienmitglieder werden gewürdigt, in Liebe und Respekt. Zu den typischen Feierlichkeiten gehören die bunten Calaveras (Schädel) und Calacas (Skelette), Sinnbild der engen Verbindung von Leben und Tod. Heutzutage sind die Feierlichkeiten zum Día de los Muertos eine Mischung aus prä-hispanischen, religiösen Riten und christlichen Festen. Das Prozedere beginnt am 31. Oktober und erstreckt sich dann über den 1. und 2. November – Allerheiligen und Allerseelen im katholischen Kalender. Das Brauchtum zum Tag der Toten wurde 2003 von der UNESCO zum Meisterwerk des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit ernannt.
DGTHG: Wir sind Organspender und gehen mit gutem Beispiel voran
„Wir glauben, dass wir mit unserem Kampagnen-Motiv einen modernen, wenn auch progressiven und zugegebener Maßen auch provokanten Weg gehen“, erklärt Prof. Gummert, der das größte Herztransplantationszentrum Deutschlands leitet. „Unsere Botschaft ist wichtig: Schenk Leben nach Deinem Leben. Wir sehen tagtäglich Menschen, die um ihr Leben kämpfen, zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Es ist nicht zu viel von uns als Gesellschaft verlangt, sich noch eingehender mit dieser komplexen Thematik zu befassen. Das wollen wir erreichen: Intensives Nachdenken. Und im besten Fall ein Umdenken. Dabei sei erwähnt, dass wir alle vom DGTHG-Vorstand und sicherlich auch der überwiegende Teil der DGTHG-Mitglieder, selbstverständlich selbst Organspender sind. Wir wollen mit gutem Beispiel voran gehen.“
Wissenschaftliche Fachgesellschaft Deutscher Herzchirurgen verleiht Hans Georg Borst-Preis für besondere Forschungsleistung der Herzmedizin
Die Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) verlieh im Rahmen der 49. Jahrestagung 2020 in Wiesbaden den Hans Georg Borst-Preis, dotiert mit 1.000 Euro, an Dr. med. Markus Liebrich von Sana Herzchirurgie Stuttgart für seine Arbeit „Mid-term results with the frozen-elephant trunk technique (E-vita open) in thoracic aortic disease: A single-center experience in 199 patients“.
Alljährlich würdigt die DGTHG die besonderen Leistungen von Ärzten und Wissenschaftlern mit renommierten Medizin- und Forschungspreisen, die im Rahmen der feierlichen Eröffnung der Jahrestagung durch den DGTHG-Sekretär Prof. Dr. Andreas Markewitz übergeben werden.
Die „Frozen-Elephant-Trunk“-Technik ist eine Weiterentwicklung der konventionellen Aortenchirurgie und ermöglicht die „one-stage“-Behandlung akuter und chronischer komplexer thorakaler Aortenerkrankungen. Durch den Einsatz einer solchen „Hybridprothese“, die die offen chirurgische Therapie mit der endovaskulären kombiniert können simultan die Aorta ascendens, der Aortenbogen und die distale Aorta descendens bei unterschiedlichen Pathologien (akute, chronische Dissektion und thorakale Aortenaneurysmata) behandelt werden. Dr. Liebrich aus dem Team der Sana Herzchirurgie Stuttgart konnte in der vorliegenden Arbeit zeigen, dass die implantierten Hybridprothesen sehr gute mittelfristige Ergebnisse hinsichtlich Materialermüdung/-performance bieten und eine ideale Andockstelle/Landezone für eventuell nötige, nachträgliche chirurgische/interventionelle Behandlungen. Weiterhin konnte nachgewiesen werden, dass die Reinterventionsrate bei der Entität der thorakalen Aortenaneurysmata am höchsten war und das durch die Approximierung der distalen Anastomose von Zone 3 nach Zone 2 bei parallelem Einsatz der bilateralen, antegraden Hirnperfusion sowie der distalen Körperperfusion mit konsekutivem Anheben der Körperkerntemperatur zu einer Verkürzung der viszeralen und zerebralen Ischämiezeiten führt sowie einen Trend zu besseren Überlebensraten aufweist.
Dr. med. Markus Liebrich
Sana Herzchirurgie Stuttgart
Bildquelle: Dr. med. Markus Liebrich
60 Sekunden Schweigen für eine laute Botschaft: Wir dulden keinen Rassismus in der Herzmedizin!
Schulterschluss der Herzmedizin: Mit einer Schweigeminute für die Opfer in Hanau begann die gemeinsame Eröffnungsfeier der Jahrestagungen der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie e.V. (DGTHG) und der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie und Angeborene Herzfehler e.V. (DGPK) in Wiesbaden.
Prof. Dr. Jan Gummert, Präsident DGTHG, und Prof. Dr. Sven Dittrich, Präsident DGPK, betonten, dass sich beide medizinischen Fachgesellschaften und deren Mitglieder klar gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Hetze aussprechen. „Auch in der Herzmedizin ist kein Platz für Hass“, so der Konsens. „Wir schätzen unsere Kolleginnen und Kollegen aus anderen Herkunftsländern, arbeiten Hand in Hand, kollegial und einvernehmlich, mit dem Ziel, unsere Patienten bestmöglich herzmedizinisch zu versorgen“, erklärten beide Präsidenten. Als Teil der Zivilgesellschaft setzen die Herzmediziner damit ein eindeutiges Zeichen und sprechen sich generell für Toleranz, Wertschätzung und eine offene Gesellschaft aus. De facto sei in Deutschland die herzmedizinische Versorgung nur kontinuierlich auf hohem Niveau, flächendeckend und jederzeit zu bewerkstelligen, weil ausländische Kolleginnen und Kollegen in deutschen Kliniken arbeiten – das sei nach DGTHG und DGPK nicht zu vergessen.
Zu den parallel stattfindenden Jahrestagungen der DGPK und DGTHG nahmen auch 2020 rund 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer unterschiedlicher Nationalitäten teil – für die medizinischen Fachgesellschaften Multiplikatoren, die sich für ein wertschätzendes Miteinander auch außerhalb des Krankenhauses einsetzen.
DGTHG und Ulrich Karsten-Stiftung verleihen wissenschaftlichen Forschungspreis für Kardio-vaskuläre Medizin
Gemeinsam mit der Ulrich Karsten-Stiftung verlieh die Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) im Rahmen der 49. Jahrestagung 2020 in Wiesbaden den Forschungspreis für Kardiovaskuläre Medizin, dotiert mit 10.000Euro, für hervorragende wissenschaftliche Leistungen mit zukunftsorientierter Forschungsintention an Fr. Dr. med. Sevil Korkmaz-Icöz, Stellvertretende Leiterin des Experimentellen Labors der Herzchirurgie, Klinik für Herzchirurgie, Universitätsklinikum Heidelberg.
Der Goldstandard bei einer terminalen Herzinsuffizienz bleibt die Herztransplantation. Ein fortbestehender Mangel an Spenderherzen zwingt Transplantationskliniken, ältere Spender und längere Organ-Ischämien zu akzeptieren. „Wir streben nach einer Risikoreduktion der Transplantatdysfunktion durch eine gezielte und modifizierte Präservation des Spenderorgans“, erklärt Dr. Korkmaz-Icöz. Eine erfolgversprechende Behandlungsweise, um die Transplantate vor hypothermischen Präservations- und Reperfusionsschäden zu bewahren, wäre die Präkonditionierung durch eine mit mesenchymalem Stammzellmedium (MSCs-M) versetzten Konservierungslösung. Nachgewiesen ist, dass das MSCs-M, den Ischämie/Reperfusionsschaden verringert. Die therapeutischen Auswirkungen beruhen vordergründig auf parakrinen Mechanismen. „Wir vertraten die Hypothese, dass die Perfusion von Spenderherzen durch MSCs-M die funktionelle Transplantatwiederherstellung nach längerer Lagerung bei Ratten verbessert“, so Korkmaz-Icöz. „Es konnte der Nachweis erbracht werden, dass das MSCs-M, die funktionelle Erholung der Transplantate nach Transplantation verbesserte. Wir haben die Expressionsniveaus von 120 Genen, die an oxidativem Stress, Apoptose und Entzündung beteiligt sind, im Transplantat untersucht. Hierbei waren die Gene proinflammatorischer Zytokine und Interleukine herunterreguliert, während die Expression des Superoxiddismutase-2-Antioxidans-Gens in den mit MSCs-M behandelten Transplantaten im Vergleich zur Kontrollgruppe hochreguliert war.“
(Laienverständliche Erklärung)
Oft bleibt bei Herzschwäche im Endstadium als einzige Therapie die Herztransplantation. Leider existiert aktuell ein wesentlicher Mangel an Spendern. Hierdurch müssen zunehmend auch ältere Spender und längere Transportwege der Organe akzeptiert werden. Insbesondere Letzteres führt zu einer Beeinträchtigung der Organfunktion durch einen Sauerstoffmangel im Rahmen der Organkonservierung während des Transports. „Wir streben eine Reduktion der Transplantatdysfunktion an durch eine modifizierte Konservierung des Spenderorgans. Dadurch ergäbe sich ein weiterer positiver Effekt, denn es müssten insgesamt weniger Organe für Transplantationen ausgeschlossen werden, da die Organe nun auch zu weiter entfernten Empfängern transportiert werden könnten“, erklärt Dr. med. Sevil Korkmaz-Icöz. Ein erfolgversprechender Schutz der Spenderorgane wäre die Behandlung mit einer mit mesenchymalem Stammzellmedium (MSC-M) versetzten Konservierungslösung. „Wir konnten zeigen, dass das MSC-M den Transportschaden durch Sauerstoffmangel verringert. Die Wirkung scheint hauptsächlich auf Faktoren, die von mesenchymalen Stammzellen ausgeschieden werden, zu beruhen. Hier stellten wird die Hypothese auf, dass die Perfusion von Spenderherzen mit MSC-M das Transplantat bei längerer Konservierung schützt“, so Korkmaz-Icöz. „Dies konnten wir mit unseren Versuchen bestätigen. Dabei hat sich gezeigt, dass der Mechanismus auf einer Veränderung der Expression von Genen, die im Zusammenhang mit dem programmierten Zelltod, Entzündungsreaktionen und der Abwehr von oxidativem Stress stehen, beruht.“
Dr. med. Sevil Korkmaz-Icöz
Stellvertretende Leiterin des Experimentellen Labors der Herzchirurgie, Klinik für Herzchirurgie, Universitätsklinikum Heidelberg
Bildquelle: Dr. med. Sevil Korkmaz-Icöz
DGTHG verleiht Abbott Medical Preis für besondere Forschungsleistungen zu Herzklappenerkrankungen
Die Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) verlieh im Rahmen der 49. Jahrestagung 2020 in Wiesbaden den Abbott Medical Preis, dotiert mit 5.000 Euro, an Dr. med. Maximilian Kreibich von der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie, Universitäts-Herzzentrum Freiburg, Bad Krotzingen, für seine Arbeit „Type A aortic dissection in patients with bicuspid aortic valve aorthopathy“.
Alljährlich würdigt die DGTHG die besonderen Leistungen von Ärzten und Wissenschaftlern mit renommierten Medizin- und Forschungspreisen, die im Rahmen der feierlichen Eröffnung der Jahrestagung durch den DGTHG-Sekretär Prof. Dr. Andreas Markewitz übergeben werden.
Die bikuspide Aortenklappe ist der häufigste angeborene Herzklappenfehler und erhöht das Risiko für Erkrankungen der Aortenklappe und der Aorta ascendens. Eine dieser Erkrankungen ist die Aortendissektion der Aorta ascendens (Typ A Aortendissektion). Kreibich und Kollegen konnten in dieser retrospektiven Arbeit mit Daten aus dem Universitäts-Herzzentrum Freiburg, Bad Krozingen, und der University of Pennsylvania zeigen, dass Patienten mit bikuspider Aortenklappe, im Vergleich zu Patienten mit trikuspider Aortenklappe, zum Zeitpunkt einer Typ A Aortendissektion signifikant jünger waren und weniger kardiovaskuläre Risikofaktoren aufwiesen. Der Durchmesser der dissezierten Aorta ascendens war bei Patienten mit bikuspider Aortenklappe signifikant kleiner. Durch die Anwendung eines Modells zur Berechnung des Diameters der Aorta ascendens vor der Aortendissektion, zeigte sich, dass nur 4% der Patienten mit trikuspider Aortenklappe (errechneter Aorta ascendens Diameter ≥55 mm) und wahrscheinlich 24% der Patienten mit bikuspider Aortenklappe (errechneter Aorta ascendens Diameter≥50 mm) einen Durchmesser der Aorta ascendens aufwiesen, bei welchem man einen präventiven Ersatz dieser nach aktuellen Leitlinien empfohlen hätte. Der Diameter der Aorta ascendens allein scheint somit sehr wahrscheinlich nicht ausreichend zu sein, um das Risiko einer Aortendissektion Typ A vorherzusagen.
(Laienverständliche Erklärung)
Die bikuspide Aortenklappe, bei der die Aortenklappe nur zwei statt drei Taschen (trikuspide Aortenklappe) aufweist, ist einer der häufigsten Herzklappenfehler. Die bikuspide Aortenklappe selbst verursacht keine Beschwerden, erhöht jedoch das Risiko für verschiedene Erkrankungen der Aortenklappe und der aufsteigenden Hauptschlagader (der Aorta). Eine dieser Erkrankungen ist die Aortendissektion, bei welcher es zum Einriss der Hauptschlagader kommt, also einen akuten medizinischen Notfall darstellt. Kreibich und Kollegen konnten in dieser retrospektiven Arbeit zeigen, dass Patienten mit bikuspider Aortenklappe, zum Zeitpunkt der Aortendissektion, im Vergleich zu Patienten mit trikuspider Aortenklappe signifikant jünger waren und weniger Begleiterkrankungen aufwiesen. Zudem war der Durchmesser der Hauptschlagader bei Patienten mit bikuspider Aortenklappe deutlich kleiner. Wendet man ein Modell zur Berechnung des Durchmessers der Hauptschlagader vor der Aortendissektion an, so zeigte sich, dass nur 4% der Patienten mit trikuspider Aortenklappe und wahrscheinlich 24% der Patienten mit bikuspider Aortenklappe einen Durchmesser der Hauptschlagader aufwiesen, bei welchem man einen präventiven Ersatz nach aktuellen Leitlinien empfohlen hätte. Der Durchmesser der Hauptschlagader allein scheint somit wahrscheinlich nicht ausreichend zu sein, um das Risiko einer Aortendissektion vorherzusagen.
Dr. med. Maximilian Kreibich
Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie, Universitäts-Herzzentrum Freiburg, Bad Krotzingen
Bildquelle: Dr. med. Maximilian Kreibich
DGTHG und Deutsche Stiftung für Herzforschung verleihen Dr. Rusche-Forschungsprojekt-Preis für besondere Forschungsleistungen der Herzmedizin
Der Dr.-Rusche-Forschungsprojekt-Preis, dotiert mit bis zu 60.000 Euro, wird von der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) zusammen mit der Deutschen Stiftung für Herzforschung, einer Schwesterorganisation der Deutschen Herzstiftung, vergeben.
Im Rahmen der 49. Jahrestagung der DGTHG 2020 in Wiesbaden erhielt Dr. med. Buntaro Fujita aus der Klinik für Herz- und thorakale Gefäßchirurgie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, für seine Arbeit „In-vitro Evaluierung nach Neokuspidalisierung nach Ozaki“, den Forschungspreis.
Die Ozaki-Prozedur ist ein relativ neues Verfahren zur Therapie von Aortenklappenvitien, bei dem neue Klappentaschen aus autologem Perikard zugeschnitten werden. Dieses Verfahren wird derzeit als geeignete Behandlungsalternative besonders für jüngere Patienten diskutiert, da sie im Vergleich zu konventionellen Prothesen potentiell Vorteile bietet: 1. Eine lange Haltbarkeit auf Grund des verminderten Stresses und der fehlenden Fremdantigene; 2. Ein quantitativ und qualitativ hämodynamisch sehr gutes Ergebnis auf Grund des fehlenden Klappenprothesen-Stents sowie 3. Die Möglichkeit einer Valve-in-valve-Prozedur bei späterer Degeneration der Klappe. Derzeit gibt es keine wissenschaftlichen Daten, die diese Aspekte untermauern. Ziel dieses Projektes ist es, in einem standardisierten in-vitro Setup diese Fragestellungen zu untersuchen. Hierfür werden Schweineherzen mit anhängender Aorta im Pulsduplikator und 4D MRT untersucht, um das hämodynamische Ergebnis einer Ozaki-Prozedur mit herkömmlichen Prothesen zu untersuchen. In einem weiteren Experiment soll untersucht werden, ob eine Valve-in-Ozaki-Prozedur technisch möglich ist, insbesondere im Hinblick auf eine Koronarobstruktion. Diese Experimente sollen detaillierte vergleichende Daten zwischen einer neuen, rekonstruktiven Technik und den derzeitigen Standards bzw. unterschiedlichen Herzklappenprothesen zur kathetergestützten Behandlung einer solchen Klappe liefern, um eine Empfehlung für oder gegen diese Prozedur aussprechen zu können.
(Laienverständliche Erklärung)
Die Behandlung einer verengten Aortenklappe erfordert in der Regel eine Operation, bei der die erkrankte Klappe durch eine Herzklappenprothese ausgetauscht wird. Bei älteren Patienten wird meistens eine Prothese aus biologischem Material eingepflanzt, da mit diesem Prothesentyp ein gutes Langzeitergebnis erzielt werden kann. Bei jüngeren Patienten <60 Jahre sind solche tierischen Klappenprothesen mit dem Risiko einer frühzeitigen Degeneration behaftet, die eine erneute Operation notwendig macht. Als Alternative gibt es mechanische Herzklappenprothesen, die eine lange Haltbarkeit haben, jedoch die lebenslange Einnahme von blutverdünnenden Medikamenten erfordern. Die Ozaki-Operation ist ein Verfahren, bei dem aus patienteneigenem Material eine neue Herzklappe hergestellt und anstelle der erkrankten Klappe eingesetzt wird. Dieses Verfahren bietet den potentiellen Vorteil, auch bei jungen Patienten lange zu halten, ohne dafür blutverdünnende Medikamente nehmen zu müssen. Daneben bietet sie möglicherweise den Vorteil, dass eine auf diese Art hergestellte Klappe eine bessere Klappenfunktion aufweisen kann als herkömmliche Herzklappenprothesen. Dies wurde bislang jedoch noch nicht untersucht. In diesem Forschungsprojekt soll die Ozaki-Prozedur im Labor detailliert untersucht werden, um eine klare Empfehlung für oder gegen dieses Verfahren aussprechen zu können.
Dr. med. Buntaro Fujita
Klinik für Herz- und thorakale Gefäßchirurgie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Lübeck
Bildquelle: Dr. med. Buntaro Fujita
DGTHG verleiht Ernst-Derra-Preis für besondere Forschungsleistungen der Herzmedizin
Die Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) verlieh im Rahmen der 49. Jahrestagung 2020 in Wiesbaden den nach dem deutschen Herzchirurgen benannten und mit 7.500 Euro dotierten Ernst-Derra-Preis an Prof. Dr. Paolo Brenner von der Herzchirurgischen Klinik und Poliklinik, Universität München, für seine eingereichte Arbeit „Consistent success in life-supporting porcine cardiac xenotransplantation“.
Alljährlich würdigt die DGTHG mit renommierten Medizin- und Forschungspreisen die besonderen Leistungen von Ärzten und Wissenschaftlern, die im Rahmen der feierlichen Eröffnung der Jahrestagung in diesem Jahr durch den DGTHG-Sekretär Prof. Dr. Andreas Markewitz übergeben werden.
Um terminal herzkranken Patienten, die häufig auf Grund des Spendermangels nicht die erforderliche Herztransplantation erhalten, eine mögliche Alternative zu bieten, gelang nach 25 Jahren Forschung der Münchner Arbeitsgruppe um Prof. Paolo Brenner und Prof. Bruno Reichart im erforderlichen präklinischen Modell, der sog. orthotopen Schwein-Pavian-Xenotransplantation, der entscheidende Durchbruch, indem ein konstantes, reproduzierbares Langzeitüberleben von sog. transgenen (GalKO/CD46/hTM) Schweineherzen mit einer neuen Immunsuppression der Empfänger auf der Basis einer CD40-Antikörper- Kostimulationsblockade erzielt werden konnte (Durchbruch bei der orthotopen kardialen Xenotransplantation, “Nature”-Publikation 12/2018). Zusätzlich wurde die initiale Xenotransplantatfunktion durch die Verwendung einer neuen, nicht-ischämischen, sauerstoffhaltigen Kaltperfusionstechnik deutlich verbessert und dadurch das Problem der sog. „perioperativen kardialen Xenotransplantat-Dysfunktion“ (PCXD), einem häufigen, frühen Xenotransplantatversagen, gelöst. Schließlich wurde noch die Problematik der schnell wachsenden, jungen Schweineherzen mit einer Wachstumskontrolle durch antihypertensive und antiproliferative Medikamente (mit einem mTOR-Inhibitor) erfolgreich angegangen. Damit wurde ein einzigartiges Langzeitüberleben von 90 Tagen (zweimalig) und 182 sowie 194 Tagen mit gezielten Versuchsabbruch erreicht, ohne Nachweis einer hyperakuten oder verzögerten Abstoßung. Die Arbeit stellt gemäß den Empfehlungen der ISHLT, nämlich ein Überleben von 90 Tagen im orthotopen Primatenmodell von 60%, die Grundlage für einen Einsatz von Schweineherzen und die Voraussetzung für eine erste klinische Phase I-Studie am Patienten dar.
(Laienverständliche Erklärung)
Durchbruch bei der lebenserhaltenden Transplantation von Schweineherzen (sog. orthotope kardiale Xenotransplantation, “Nature”-Publikation 12/2018): Die Thematik der Publikation in der renommierten Fachzeitschrift “Nature” beschreibt die weltweit erstmalig erfolgreiche und reproduzierbare Übertragung von Schweineherzen auf Primaten, die als Empfänger immunologisch stellvertretend für den Menschen eingesetzt werden, was als letzter präklinischer Versuch für den Einsatz von Schweineherzen als Organersatz bei der Herztransplantation (Xenotransplantation) von herzkranken Patienten im Endstadium dienen soll. Der Durchbruch gelang nach 25 Jahren Forschung der Münchner herzchirurgischen Arbeitsgruppe um Prof. Paolo Brenner und Prof. Bruno Reichart in den letzten drei Jahren laut der “Nature”-Publikation zum einen immunologisch durch die Behandlung der komplexen Abstoßungsreaktionen durch die Verwendung eines neuen, hochpotenten CD40-Antikörpers zur sog. Kostimulationsblockade, zum anderen durch die Verhinderung des bisher häufigen, frühen Transplantatversagens durch eine völlig neue Kaltperfusiontechnik der Herzen ohne Ischämie zwischen der Explantation und Herzimplantation. Zuletzt wurde auch die Wachstumsproblematik von implantierten, schnell wachsenden Schweineherzen durch Blutdruck- und Wachstumsinhibitoren beherrscht, was zu einem einzigartigen Langzeitüberleben von 90 Tagen (zweimalig) und 182 sowie 194 Tagen mit gezieltem Versuchsabbruch (gemäß den Regierungsvorgaben) geführt hat. Mit der Publikation in „Nature“ 12/2018 wurde die letzte Hürde auf dem Weg zum Einsatz von Schweineherzen als Organtransplantate beim Menschen überwunden und ist nach den Empfehlungen der Fachgesellschaft ISHLT auch die Voraussetzung für eine erste klinische Phase I-Studie am Patienten.
Prof. Dr. Paolo Brenner
Herzchirurgische Klinik und Polioklinik der Universität München
Bildquelle: Prof. Dr. Paolo Brenner
DGTHG verleiht Franz-Köhler-Preis für besondere Forschungsleistungen der Herzmedizin
Die Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) verlieh im Rahmen der 49. Jahrestagung 2020 in Wiesbaden den Franz-Köhler-Preis, dotiert mit 7.500 Euro, für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Organprotektion an Prof. Dr. Gregor Warnecke, Klinik für Herzchirurgie, Medizinische Hochschule Hannover, für seine Forschungen zu Konservierungs-techniken im Rahmen der Lungentransplantation. Alljährlich würdigt die DGTHG die besonderen Leistungen von Ärzten und Wissenschaftlern mit renommierten Medizin- und Forschungs-preisen, die im Rahmen der feierlichen Eröffnung der Jahres-tagung durch den DGTHG-Sekretär Prof. Dr. Andreas Markewitz übergeben werden.
DGTHG verleiht Gefäßchirurgischen Forschungspreis für besondere wissenschaftliche Leistungen der Herzmedizin
Die Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) verlieh im Rahmen der 49. Jahrestagung 2020 in Wiesbaden den Gefäßchirurgischen Forschungspreis, dotiert mit 5.000 Euro, an Dr. Yukiharu Sugimura aus der Klinik für Herzchirurgie der Universität Düsseldorf für seine Forschungsarbeit „Controlled autologous recellularization and inhibited degeneration of decellularized vascular implants by side-specific coating with stromal cellderived factor 1á and fibronectin“. Alljährlich würdigt die Fachgesellschaft Deutscher Herzchirurgen die besonderen Leistungen von Ärzten und Wissenschaftlern mit renommierten Medizin- und Forschungspreisen, die im Rahmen der feierlichen Eröffnung der Jahrestagung in diesem Jahr durch den DGTHG-Sekretär Prof. Dr. Andreas Markewitz übergeben werden.
Dr. Sugimuras beschäftigt sich mit biologischen Prothesen in der kardiovaskulären Medizin, die eine limitierte Haltbarkeit haben. Mittels Tissue-Engineerings können bereits heute Implantate in vitro hergestellt werden, die diesbezüglich den in der klinischen Routine eingesetzten Prothesen überlegen sind. Um eine rasche Integration dezellularisierter Prothesen in den Organismus zu gewährleisten, gibt es wichtige Komponenten, die die Haltbarkeit des Transplantats nach der Implantation beeinflussen, wie zum Beispiel die Endotheliarisierung, Intimahyperplasie (IH), Degeneration und Rezellularisierung. Die Endotheliarisierung der Prothesen nach der Implantation ist wichtig, um Komplikationen wie Thrombosen zu vermeiden. Gleichzeitig kann es jedoch in der Folge auch zu einer IH kommen, die das Gefäßlumen verengt. Darüber hinaus kann eine Degeneration, z.B. Verkalkung als Folge einer immunologisch getriggerten entzündlichen Reaktion auf Transplantate, auftreten und zu einem Versagen des Transplantats führen. Daher ist es für die Haltbarkeit von Transplantaten erforderlich, ein Verfahren zu finden, um die Rezellularisierung in vivo schnellstmöglich zu induzieren und die genannten negativen Umbauprozesse zu minimieren. In dieser Studie konnte eine hervorragende Hämokompatibilität der luminalen stromal cell-derived factor (SDF) 1α-Beschichtung nachgewiesen werden. Hierdurch konnte eine frühzeitige funktionelle autologe Endotheliarisierung sowie die gleichzeitige Hemmung der Intimahyperplasie und signifikante Reduktion der Verkalkung ermöglicht werden.
(Laienverständliche Erklärung)
In den letzten Jahren steigt die Nachfrage nach Prothesen mit einer dauerhaft hervorragenden Funktionalität in einer kardiovaskulären Chirurgie stetig an. Die Biokompatibilität von künstlichen Prothesen ist jedoch immer noch unzureichend. So kommt es gehäuft zu Komplikationen wie Entzündungsreaktionen und Thrombosen. Zur stetigen Verbesserung dieser Prothesen ist die wissenschaftliche Forschung unerlässlich. Hierbei ist die Entwicklung von kleinkalibrigen Blutgefäßen mit hoher Biokompatibilität und guter Langzeithaltbarkeit durch den Einsatz der Dezellularisierung entscheidend. Die Dezellularisierung befreit ein Spendergewebe weitgehend von den Spenderzellen, die die Hauptursache für die Immunreaktion von Spendergeweben darstellen und stellt eine zellfreie Trägerstruktur für eine erneute Re-Besiedelung durch Empfängerzellen zur Verfügung. Im Idealfall ähnelt das so gewonnene Gewebe dem nativen Empfängergewebe und kann als Transplantat verwendet werden. In dieser Studie konnte nachgewiesen werden, dass eine innere Oberflächenbeschichtung mit dem sogenannten stromal cell-derived factor (SDF) 1α in zellfreien Gefäßimplantaten eine rasche Re-Besiedelung durch Empfängerzellen hervorrufen und negativen Umbauprozesse minimieren kann.
Dr. med. Yukiharu Sugimura
Klinik der Herzchirurgie, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Bildquelle: Dr. med. Yukiharu Sugimura
DGTHG verleiht Nachwuchsförderpreis
Viele Herzoperationen sowie temporäre Kreislaufunterstützungs-systeme benötigen die extrakorporale Zirkulation (EKZ) und verursachen dadurch Ischämie- und Reperfusionsschäden (I/R-Schäden). Superoxid, welches enzymatisch durch Superoxiddismutasen (SOD) abgebaut wird, stellt einen wichtigen Mediator von schädlichen I/R-Schäden dar. Im kardiovaskulären System ist die extrazelluläre Isoform der SOD (SOD3) am bedeutendsten. Genetische Mutationen der SOD3 erhöhen das Risiko für Herzerkrankungen. Der Kalziumsensitizer Levosimendan wird bereits bei Herzinsuffizienz und kardiogenem Schock eingesetzt. Die klinische Wirksamkeit konnte in Studien jedoch nicht bewiesen werden.
In dieser Studie wurde der Einfluss der SOD3 sowie von Levosimendan auf I/R-Schäden in einem Kleintiermodell mit EKZ untersucht. Ratten mit verminderter SOD3-Aktivität zeigten sich eine verminderte Aktivierung kardioprotektiver Signalkaskaden sowie eine gesteigerte Apoptoserate im Vergleich mit gesunden Tieren. In einem zweiten Teilprojekt mit therapeutischem Ansatz wurde Ratten vor EKZ präventiv Levosimendan verabreicht (12 µg/kg KG) und mit Tieren ohne Medikamentengabe verglichen. Hierdurch konnte postoperativ eine verbesserte Hämodynamik erzielt werden. Zudem kam es zu einer Verminderung der I/R-bedingten Apoptose. Somit konnten ein protektiver Effekt der SOD3 und von Levosimendan auf I/R-Schäden bei EKZ nachgewiesen und somit potentielle neue Therapieansätze beschrieben werden.
(Laienverständliche Erklärung)
Während Herzoperationen muss häufig eine Herz-Lungen-Maschine (HLM) verwendet werden, um die Kreislauffunktion des Körpers während der Operation sicherzustellen. Dadurch kann es im Zusammenhang mit der HLM zu Gewebeschäden kommen, welche insbesondere durch reaktive Sauerstoffradikale vermittelt werden. Der Körper kann diese Radikale durch spezielle Enzyme (Superoxiddismutasen) entgiften. Im Kreislaufsystem kommt am häufigsten eine spezielle extrazelluläre Form des Enzyms SOD3 vor. Genetische Veränderungen der SOD3 erhöhen das Risiko für Herzerkrankungen. Das Kreislaufmedikament Levosimendan wird bereits bei Herzversagen eingesetzt; die klinische Wirksamkeit konnte jedoch noch nicht abschließend gesichert werden.
In dieser Studie wurde der Einfluss der SOD3 sowie von Levosimendan auf Gewebeschäden in einem Kleintiermodell mit HLM untersucht. Zunächst wurden Ratten mit erkrankter SOD3 mit gesunden Kontrollen verglichen. Dabei zeigten sich molekularbiologisch positive Veränderungen und ein erhöhter Schutz vor Gewebeschäden in Tieren mit gesunder SOD3. In einem zweiten Teilprojekt wurde Ratten vor Beginn der OP Levosimendan verabreicht und diese mit Tieren ohne Medikamentengabe verglichen. Hierdurch konnte postoperativ eine verbesserte Kreislaufsituation und eine verminderte Zellschädigung erzielt werden.
Somit konnte ein protektiver Effekt der SOD3 und von Levosimendan auf Gewebeschäden durch HLM bei Herzoperationen nachgewiesen, und damit neue Therapieansätze beschreiben werden.
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Moritz Immohr
Herzchirurgische Klinik der Universität Düsseldorf
Bildquelle: Moritz Immohr
HERZGESUNDHEIT AKTUELL, Newsletter der DGTHG, Nr. 01 / Februar 2020
Stenosen des Linkskoronaren Hauptstamms: Bypassoperation ist der PCI überlegen
Neben der medikamentösen Therapie zur Behandlung und Prävention der KHK stehen als invasive Therapieoptionen die Stentimplantation (PCI) und die Bypassoperation zur Verfügung. Stenosen des Linkskoronaren Hauptstamms („Hauptstammstenosen“) stehen zur Zeit im Fokus, da die Folgen eines Infarktes hier besonders gefürchtet sind… >MEHR<
Kinderherzchirurgie steht vor großen Herausforderungen
Weltweit kommen angeborene Herzfehler mit etwa 0,7% bei allen Neugeborenen vor. Die Ursachen differieren – neben genetischen Defekten können die embryonale und die fetale Entwicklung für die Entstehung verantwortlich sein. Aufgrund der großen Vielfalt werden angeborenen Herzfehler in ca. 26 Hauptdiagnosegruppen unterschieden. Rund 12 Prozent aller Herzfehler sind schwerwiegend; etwa 26 Prozent werden als mittelschwer eingestuft. Die Kinderherzmedizin hat in den letzten Jahrzehnten enorme Fortschritte gemacht. In den 1950iger und 1960iger Jahren verstarben noch ein Viertel der Patienten bereits im Säuglingsalter. Heutzutage erreichen mehr als 90 Prozent der Patienten das Erwachsenenalter als sogenannte EMAH (Erwachsene mit angeborenem Herzfehler). Obwohl die Entwicklung erfreulich ist, gibt es auch weiterhin besondere Herausforderungen.
Fachkräftemangel führt zu Terminverschiebungen und Wartelisten
Kinderherzchirurg Prof. Boulos Asfour sieht in dem akuten Pflegefachkräftemangel eine bedauerliche Realität. „Es mangelt an qualifizierten Pflegekräften“, so Asfour. „Regelmäßig müssen wir beispielweise Operationen absagen oder verschieben, so dass sich lange Wartelisten bilden. Einerseits verfügen wir über die notwendige Hightech-Medizin, können andererseits jedoch unsere Patienten wegen Personalengpässen nicht kontinuierlich versorgen. Das gilt in allen Bereichen, aber vorrangig haben wir zu wenig Kinder-Intensivpflegekapazität.“
Reform der Arbeitsbedingungen nötig für Nachwuchsgewinn
Die Gründe für den Pflegekräftemangel bezeichnet Prof. Asfour als vielschichtig. „Der Dienst ist körperlich anstrengend und herausfordernd. Oft wird über die eigenen Grenzen hinaus gearbeitet. Auch die psychische Belastung ist nicht zu unterschätzen. Zudem ist die monetäre Wertschätzung der Pflegekräfte nicht angemessen. Es braucht hier dringend Reformen, damit die Berufe wieder an Attraktivität gewinnen. Menschen in diesen Berufen arbeiten mit Herzblut. Die bestmögliche Versorgung unserer Herz-Kinder steht immer im Vordergrund“, erklärt der Kinderherzchirurg.
Qualitätsmanagement ist oberste Prämisse
In Deutschland werden herzkranke Patienten interdisziplinär und berufsgruppenübergreifend in entsprechenden Zentren behandelt. Bundesweit gibt es aktuell 360 Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin, von denen 67 Kinderkliniken kinderkardiologische Kompetenz aufweisen. Insgesamt arbeiten rund 166 Ärztinnen und Ärzte in aktuell 115 kinderkardiologischen Schwerpunktpraxen. Die Versorgung ist also bundesweit sehr gut und auf stabilem Niveau. In einem gemeinsamen Konsensuspapier haben Herzchirurgen (Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie) und Kinderkardiologen (Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie und Angeborene Herzfehler) die Grundvoraussetzungen herzchirurgischer Einheiten zur Behandlung von Patienten mit angeborenen Herzfehlern definiert. „Ein absolut wichtiger Schritt, um die geeignete, individuelle Therapie und damit die bestmögliche Patientenversorgung zu gewährleisten“, erklärt Asfour. Optimierungsbedarf sieht der Kinderherzchirurg bei den EMAH. „Wir brauchen hier weitere qualifizierte Versorgungsstrukturen für die Erwachsenen mit angeborenem Herzfehler. Zurzeit haben wir bundesweit ca. 200.000 Erwachsene mit einem angeborenen Herzfehler, die Dank der herzmedizinischen Versorgung im Kindesalter das Erwachsenenalter erreichen konnten. Wir sollten diesen Erfolg zum Anlass nehmen, uns gemeinschaftlich für „die kleinen Herzen“ stark zu machen.“
Herz-Team Voraussetzung für erfolgreiche Patientenbetreuung
Das etablierte Herz-Team, im Kern bestehend aus Kinderherz-chirurgen, Kinderkardiologen, Intensivmedizinern und Anästhesisten, ist Voraussetzung für die geeignete Therapiefindung und Versorgung. „Jeder bringt sein Wissen zum Besten des Patienten ein. Zu jeder Zeit“, betont Asfour. „Jeder ist Spezialist in seinem Fachgebiet. So bilden wir zum Wohle der Herz-Kinder ein Kompetenz-Team, das auf Augenhöhe agiert. Unsere konsertierte Meinung mündet dann in eine Therapieempfehlung, natürlich immer unter Einbeziehung der Eltern.“
Innovative Operationsverfahren und Mangel an kindgerechten Medizinprodukten
Neben dem medizinischen Fortschritt ist es vor allem die technische Entwicklung, die auch schonende Operationsmethoden erlaubt. Moderne Echokardiographiegeräte mit entsprechend ausgebildeten Ärzten machen viele diagnostische Herzkatheteruntersuchungen heute überflüssig. „Die bildgebenden Verfahren haben entscheidenden Anteil zur besseren Behandlung der Patienten beigetragen“, so Asfour. „Moderne Hybrid-Operationssäle, ausgestattet mit Angiografieanlagen und auch die Computer- und Kernspintomographie entwickeln sich immer weiter. So innovativ die heutige Medizintechnik ist, so groß ist der Mangel an Medizinprodukten, die für die Behandlung von Kindern zugelassen sind.
Es fehlt an Stents, Kathetern, Drainagen und Biopsie-Zangen, aber auch die so wichtigen speziellen Herzschrittmacher für Kinder rentieren sich nicht für die industrielle Herstellung und den Vertrieb, so dass die Produktionseinstellung droht. Neben dem technischen Equipment sieht Prof. Asfour auch einen hohen Bedarf für Forschung und Innovation: „Wir brauchen dringend mehr Forschungsförderung auf dem Gebiet der Kinderherzmedizin.“ Als Beispiel nennt der Kinderherzchirurg mitwachsende Herzklappen, neue Rekonstruktionstechniken und kindgerechte Herzunterstützungs-systeme. Hier braucht es einen Schulterschluss von Gesundheitswesen, Politik und Wirtschaft, um eine gemeinsame Strategie zu entwickeln, damit die bereits existierenden Versorgungslücken geschlossen werden können.
„Keine Operation ist wie die andere“, so Prof. Asfour. „Auch nach 30 Jahren in meinem Fachgebiet habe ich immer wieder Fälle, die ich so noch nie gesehen habe, denn angeborene Herzfehler sind sehr komplex und unterscheiden sich deutlich von den vorrangig erworbenen Herzkrankheiten der Erwachsenen-Herzchirurgie.“ Es kommt insbesondere auch bei der Behandlung der angeborenen Herzfehler auf den richtigen Zeitpunkt an, meint der Herzchirurg. „Die Operation sollte nicht zu früh und nicht zu spät erfolgen.
Behandlung der Aortenklappenstenose: „Aus allen Optionen das Beste für den Patienten wählen“
Frau Prof. Bleiziffer, der Patient erhält vom funktionierenden Herz-Team die bestmögliche Therapieoption. Erklären Sie dies bitte kurz.
Die wissenschaftlich-medizinischen Leitlinien machen klare evidenzbasierte Aussagen im Hinblick auf die Konsensfindung im Herz-Team, im Kern bestehend aus Herzchirurgie, Kardiologie und Anästhesie. Wir möchten die bestmögliche Behandlung für unsere herzkranken Patienten gewährleisten, dazu gehört die individuelle Betrachtung der Krankengeschichte und die für den Patienten geeignetste Therapieempfehlung. Die alters- und verschleißbedingte Aortenklappenstenose gehört zu den häufigsten erworbenen Herzklappenerkrankungen und kann mit chirurgischen oder kathetergestützten Verfahren behandelt werden. Herzklappenoperationen sind der zweithäufigste herzchirurgische Eingriff in Deutschland. Für den Aortenklappenersatz (sAVR) stehen mechanische oder biologische Prothesen zur Verfügung. Seit 13 Jahren steht mit der minimalinvasiven Transcatheter Aortic Valve Implantation (TAVI) eine weitere Methode in Ergänzung zum konventionellen, herzchirurgischen Ansatz, zur Verfügung. Die technische und prozedurale Sicherheit hat sich in den letzten Jahren wesentlich weiterentwickelt. Welches Verfahren letztlich das Beste für den Patienten ist, entscheiden wir gemeinsam. Zusammen trägt das Herz-Team dafür Sorge, dass die Patienten bei der kathetergestützten Behandlung ihrer Herzklappenerkrankung immer gemeinsam mit herzchirurgischer und kardiologischer Expertise und Erfahrung versorgt sind.
Für welche Patienten kommt eine TAVI in Frage?
Die europäische ESC/EACTS Leitlinie zu Herzklappenerkrankungen empfiehlt bei Patienten mit einer erworbenen Aortenklappenstenose und einem niedrigen Risikoprofil (STS/EuroSCORE II <4%) den herzchirurgischen Eingriff unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine; ebenso bei Patienten mit einer reinen Undichtigkeit (Insuffizienz) oder Entzündung der Herzklappe (Endokarditis). Für Patienten mit mittlerem bis hohem Operationsrisiko (z.B. Alter > 75 Jahre, STS/EuroSCORE II ≥4%;) ist die kathetergestützte Aortenklappenimplantation eine mindestens gleichwertige Behandlungsoption. Für Deutschland schreibt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner „Richtlinie zu minimalinvasiven Herzklappeninterventionen (MHI-RL)“ für bestimmte Herzklappeneingriffe u.a. vor, dass die Entscheidungsfindung im Herz-Team stattfinden muss, und setzt somit hohe Standards für die Patientensicherheit.
Neue Studienergebnisse lassen Langzeitergebnisse missen. Was heißt das für die Behandlung der Aortenklappenstenose?
Die neuen Studienergebnisse der PARTNER 3 und der Evolut Low Risk Studie mit einem Vergleich der zuvor genannten Verfahren bei Niedrigrisiko-Patienten zeigen, dass bei Patienten die eine Aortenklappenstenose und ein niedriges kalkuliertes Operationsrisiko haben, die TAVI Prozedur gleichwertig oder besser bezüglich primärer Endpunkte wie Überleben und Schlaganfall ist. Für einige sekundäre Endpunkte wie leichte Leckagen an der Aortenklappen-Prothese und die Notwendigkeit einer zusätzlichen Schrittmacherimplantation finden sich hingegen Vorteile für sAVR. Die Entscheidungsfindung wird sich künftig noch mehr an den spezifischen Vor- und Nachteilen der zur Verfügung stehenden Verfahren orientieren müssen, weniger allein an dem Risikoprofil jedes einzelnen Patienten. Damit rückt die Konsensfindung im Herz-Team nochmals stärker in den Fokus. Sicherlich werden die Ergebnisse der aktuell laufenden DEDICATE-DZHK6-Studie, einer ebenfalls prospektiven, randomisierten, multizentrischen Studie, relevant werden. In dieser Studie werden wiederum die beiden Verfahren bei 1.600 speziell ausgewählten Patienten mit mittlerem bis niedrigem Operationsrisiko und hochgradiger Aortenklappenstenose verglichen werden.
Generell werden mehr multizentrische, herstellerunabhängige und langfristige, über mehrere Jahre angelegte, Studien für evidenzbasierte Langzeitergebnisse benötigt. Diese müssen mit ebenfalls multizentrisch angelegten medizinischen Registern ergänzt werden da letztere durch ihren „real-world“ Ansatz weitere wichtige Erkenntnisse liefern.
Welche Vorteile sehen Sie bei der TAVI-Prozedur?
TAVI ist ein schonenderes Verfahren für die Patienten, häufig kann auf eine Vollnarkose verzichtet werden und die Eingriffsdauer ist ebenfalls kürzer ( 30-60 Minuten). Daher erholen sich Patienten häufig schneller, weil sie insgesamt eine geringere körperliche Belastung durch den Eingriff haben. Besonders multimorbide und hochbetagte Patienten profitieren von der minimalinvasiven Methode. Versorgungsrealität ist heute, dass elektive bzw. dringliche Patienten mit hohem und mittlerem Operationsrisiko mit einer TAVI herzmedizinisch versorgt werden. Allerdings ist stets die individuelle Patientengeschichte zu betrachten, und durch das qualifizierte Herz-Team eine konsentierte Empfehlung zu geben, dies auch vor dem Hintergrund, dass bei jedem Herzklappeneingriff lebensbedrohliche Komplikationen auftreten können respektive die TAVI unter bestimmten Bedingungen absolut kontraindiziert ist.
In welchen Fällen kommt eine TAVI nicht in Frage und zu welchen Komplikationen kann es kommen?
Bei einer Herzinnenhautentzündung, der sogenannten Endokarditis, kann eine TAVI nicht durchgeführt werden. Ferner gibt es weitere anatomische Gegebenheiten, wie zum Beispiel. sehr asymmetrische Verkalkungen der Aortenklappe bzw. der angrenzenden Gefäßwand, anatomische Ausrichtungen der Aortenklappen mit nur zwei anstatt drei Taschen, oder auch die reine Aortenklappenundichtigkeit (Insuffizienz), bei denen oftmals mit dem TAVI-Verfahren kein gutes Ergebnis zu erzielen bzw. dieser Eingriff sogar absolut kontraindiziert ist. Bei der Entscheidung sind stets die individuellen Patienten-Gegebenheiten zu beachten. Zu den häufigsten Komplikationen (5 bis 20 Prozent) gehört die Störung des Reizleistungssystems durch Druck der Herzklappenprothese. Die davon betroffenen Patienten müssen in einem weiteren Eingriff mit einem permanenten Herzschrittmacher versorgt werden. Auch leichte Prothesenrandlecks treten häufiger auf als nach chirurgischem Klappenersatz.
Biologische Herzklappe versus mechanische Herzklappe – welche Herzklappe für welchen Patienten?
Für welchen Patienten welcher Herzklappenersatz in Frage kommt, muss gemeinsam mit dem Patienten und im Herz-Team besprochen werden. Eine mechanische Herzklappe kann ausschließlich herzchirurgisch implantiert werden. Diese hält in der Regel ein Leben lang. Daher profitieren jüngere Patienten (<60 Jahre) von einer mechanischen Herzklappenprothese. Damit einhergehend ist die lebenslange Einnahme von Blutverdünnern, und es können hörbare Geräusche der mechanischen Herzklappenprothese von Patienten wahrgenommen werden, ähnlich dem leisen Ticken einer Uhr. Bei einer biologischen Herzklappenprothese muss der Patient mit diesen Begleiterscheinungen nicht leben. Die Haltbarkeit biologischer Herzklappenprothesen beträgt ca. 10 bis 15 Jahre, so dass sie folgerichtig bei älteren Patienten implantiert werden. Alle TAVI Klappen sind biologische Herzklappen, deren Langzeithaltbarkeit über 5 Jahre bislang noch nicht wissenschaftlich untersucht wurde. Jedoch gibt es derzeit keine Hinweise für frühzeitige Degenerationen von kathetergestützten implantierten Aortenklappenprothesen.
Die herzmedizinischen Fachgesellschaften DGTHG und DGK zertifizieren für TAVI
Das ist richtig. Die Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie e.V. (DGTHG) führt personenbezogene Zertifizierungen für Herzchirurgen zur kathetergestützten Herzklappentherapie durch; die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) zertifiziert Institutionen. Ich persönlich wünsche mir gemeinsame Zertifizierungen beider Fachgesellschaften. In den Krankenhäusern ist das funktionierende, interdisziplinäre Herz-Team integraler Bestandteil der Patientenversorgung und gelebte Realität.
Wie sehen Sie die Zukunft? Wie wird die Entwicklung im Bereich der minimalinvasiven Methoden sein?
Die minimalinvasiven Methoden entwickeln sich rasant. Heute kann die Herzmedizin nicht nur die Aortenklappenstenose, sondern auch schon die Mitralklappeninsuffizienz mit katheter-basierten Verfahren behandeln. Aktuell werden auch Methoden zur Behandlung der Trikuspidalklappeninsuffizienz erforscht.
Ein Schlusswort…
Von der Methodenvielfalt profitieren unsere herzkranken Patienten. Dafür brauchen wir auch weitere unabhängige Studien und Register. Die bestmögliche Behandlung muss das oberste Ziel aller Herzmediziner sein.
Fachgesellschaft Deutscher Herzchirurgen sieht Klärungsbedarf bei der Behandlung herzkranker Patienten
Excel-Studie verglich Bypasschirurgie und Stenteinlage
Die EXCEL-Studie verglich das Behandlungsergebnis einer kritischen Form der koronaren Herzerkrankung (sogenannte Hauptstamm-stenose) mittels koronarer Bypassoperation oder durch Stentimplantation (PCI). Dabei wurde überaschenderweise eine Gleichwertigkeit beider Methoden festgestellt. Bisher zeigten die wissenschaftlichen Erkenntnisse ein besseres Langzeitüberleben Bypass operierter Patienten.
Die Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) sieht hier Klärungsbedarf und fordert, dass die Studiendaten von unabhängiger Seite erneut analysiert werden.
Interdisziplinäres Herz-Team im Mittelpunkt
Für die individuelle und geeignete Therapiefindung ist das fachübergreifende Herz-Team zentraler Bestandteil der bestmöglichen Patientenversorgung. Die Behandlungsoptionen diskutieren Herzchirurg, Kardiologe und Anästhesist unter Einbeziehung des Patienten. „Wir raten jedem Patienten dringend, gerade in Hinblick auf die mögliche Verunsicherung durch die Berichterstattung, unbedingt ein interdisziplinäres Herzteam einzubeziehen, um die notwendige Therapie auf größtmögliche herzmedizinische Expertise zu stützen.
Das Herz-Team ist die entscheidende Instanz für die Patientensicherheit“, erklärt Prof. Dr. Jan Gummert.
Weitere Informationen unter:
Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie e.V.
European guidelines on heart disease under review – BBC Newsnight; https://www.youtube.com/watch?v=_vGfJKMbpp8
EACTS Eurpoean Association For Caardio-Thoracic Surgery; https://www.eacts.org/eacts-responds-to-bbc-newsnights-investigation-on-the-excel-trial/
Taggart D. EACTS 2019, Lissabon. 4. Oktober 2019. Tweet und Twitter-Threat@tamaranihici, 4. Oktober 2019, 17.07h
Stone GW et al. Five-Year Outcomes after PCI or CABG for Left Main Coronary Disease. N Engl J Med 2019. 28. September 2019. doi: 10.1056/NEJMoa1909406
Stone GW. Präsentation TCT 2019 am 28.9.2019. EXCEL: 5-Year Outcomes From a Randomized Trial of PCI vs. CABG in Patients With Left Main Coronary Artery Disease
https://www.massdevice.com/controversy-erupts-over-stenting-study/
https://link.springer.com/article/10.1007/s12055-019-00893-0