Einfach mal trauen!
Das Seminar „Frauen trainieren Frauen“ macht die nächste Generation von Herzchirurginnen stark
Zum vierten Mal veranstaltet die DGTHG das Seminar „Frauen trainieren Frauen“ – ein Programm zur Verbesserung herzchirurgischer Techniken und zur persönlichen Weiterentwicklung. Anlass genug, bei Seminarleiterin Professorin Gloria Färber nachzufragen: Was geschieht eigentlich am 4. und 5. Juni im Langenbeck-Virchow-Haus?
Frau Professorin Färber, warum braucht es ein Seminar speziell für angehende Herzchirurginnen?
Dafür müssen wir in die Historie der Herzchirurgie schauen. Es war lange Zeit nicht selbstverständlich, dass Frauen in diesem Fachgebiet arbeiten, geschweige denn Karriere machen. Auch wenn die Medizin stetig weiblicher wird, sind Herzchirurginnen auch heute noch in der Unterzahl. Mit unserem Seminar möchten wir ein Zeichen setzen und sie stärken – fachlich und mental.
Warum sind Frauen in der Herzchirurgie immer noch rar gesät?
Am Handwerk und Können der Frauen scheitert es nicht! Vielmehr liegt es häufig am Selbstverständnis und der Eigendarstellung der Frauen. Ich trainiere seit vielen Jahren sowohl männlichen als auch weiblichen Nachwuchs. Und meist sind es die männlichen Kollegen, die in meinen Trainings mutig vorpreschen – ganz nach dem Motto: „Ich probiere das einfach mal aus!“ Frauen nehmen hingegen häufig eine eher beobachtende, zurückhaltende Position ein – Eigenschaften, die sie nicht direkt in die führenden Positionen bringen.
Wer vorsichtig und zurückhaltend ist, hat also wenig Chancen in der Herzchirurgie?
Das möchte ich so nicht sagen. Im besten Fall kommt alles zusammen: Mut, einfach mal vorzupreschen und loszulegen, aber eben auch Reflexion und Vorsicht, wenn es angebracht ist. Wir brauchen in der Herzchirurgie all diese Eigenschaften. Und in unserem Seminar möchten wir diejenigen stärken, bei denen es noch nicht so ausgeprägt ist.
Wie schaffen Sie das?
Wir schaffen einen zielgruppenorientierten Raum, in dem sich die Teilnehmerinnen ausprobieren können – und zwar auf allen Ebenen. Zum einen trainieren sie in zwei Tagen das komplette Spektrum der Herzchirurgie und werden dabei von hochqualifizierten Dozentinnen angeleitet. Unser Anspruch ist es dabei, in der Gruppe eine völlig entspannte Atmosphäre zu schaffen, sodass sich jede Teilnehmerin ohne Hemmungen testen kann. Zum anderen nehmen wir die mentalen Herausforderungen unseres Berufs in den Fokus. Wir möchten die Soft Skills, also die für unseren Beruf nötigen mentalen Fähigkeiten, unserer Teilnehmerinnen stärken.
Welche Fähigkeiten sind das?
Dass man lernt, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Gab es beispielsweise vor einer wichtigen Operation einen Dissens mit Kolleg*innen oder Vorgesetzten? Dann müssen wir dennoch in der Lage sein, dies zur Seite zu schieben und hochkonzentriert, filigran und präzise zu operieren. Genauso wichtig ist es zu lernen, die Führung zu übernehmen. Als Herzchirurgin müssen wir im OP eine ganze Gruppe anleiten, und wir müssen klare, selbstbewusste Ansagen machen. Das hat nichts mit übertriebener Autorität zu tun, sondern dient einem reibungslosen, sicheren Ablauf. Und natürlich benötigen Herzchirurginnen auch Resilienz. Sie erleben täglich extrem herausfordernde Situationen und müssen fähig sein, diese zu verarbeiten.
Wie kann man all das in zwei Tagen lernen?
Wir können die nötigen Impulse setzen! Unsere Gruppen haben in der Regel eine überschaubare Größe. Und unsere Dozentinnen erkennen schnell, was die Teilnehmerinnen brauchen. Sind die sogenannten Soft Skills schon gut ausgeprägt, konzentrieren wir uns noch mehr auf das Fachliche. Braucht die Gruppe eher noch ein paar Tipps fürs Eigenmarketing (lacht), dann arbeiten wir verstärkt daran – beispielsweise in Rollenspielen und Workshops.
Dann lernt man sich in den zwei Seminar-Tagen sicher sehr gut kennen!
Ja, die Frauen erweitern über unser Seminar ihr Netzwerk und schaffen sich auch über den Kurs hinaus Plattformen für den Austausch – beispielsweise über eine tolle WhatsApp-Gruppe, die immer größer wird! Auch das ist etwas, das die Teilnehmerinnen als großen Mehrwert empfinden.
Und was sind Ihre persönlichen Highlights der Frauen-Seminare?
Dass ich beobachten kann, wie aus anfangs häufig sehr vorsichtigen und zurückhaltenden Frauen eine selbstbewusste Gruppe entsteht, die mit großem Spaß die Herzchirurgie immer mehr für sich entdeckt und mutiger wird, sich in ihr auszutesten. Ich freue mich sehr auf die bevorstehenden zwei Tage und bin gespannt, welche Richtung wir dieses Mal zusammen einschlagen werden!
