Das Herz in der Hand

Dr. med. Ezin Deniz hat für ihre wissenschaftlichen Arbeiten auf dem Gebiet der Aortenchirurgie den Georg-Wilhelm Rodewald Preis erhalten. Was steckt hinter ihrer Forschung? Und was fasziniert die engagierte Herzchirurgin an ihrem Fachgebiet?
Manchmal gibt es einen Moment im Leben, der alles verändert: Ezin Deniz erinnert sich an ihren genau: Als junge Studentin im Praktischen Jahr begleitet sie eine Bypass-Operation – und hält zum ersten Mal ein Herz in ihren Händen. Das ganze Leben eines Menschen! Sie spürt die Kraft des Organs, die unglaubliche Bedeutung dieses Augenblicks, und sie begreift: Das ist Medizin! Seitdem ist ihr klar: Sie möchte in der Herzchirurgie arbeiten – nichts anderes kommt für sie in Frage.
Die Hauptschlagader – Mutige Forschung am sensiblen Aortenbogen
12 Jahre liegt dieser Moment zurück. Jahre, in denen Ezin Deniz alles dafür getan hat, um ihr Ziel zu erreichen. Heute ist die 38-Jährige Herzchirurgin an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und hat innerhalb der Herzchirurgie einen Bereich gefunden, der sie ganz besonders fasziniert. Sie beschäftigt sich chirurgisch und wissenschaftlich mit der Aorta.
Die Aorta ist unsere Hauptschlagader – die größte Arterie im Körper, die das Blut vom Herzen in den restlichen Körper transportiert. Sie kann von verschiedenen Krankheiten betroffen sein; zum Beispiel von einem Aneurysma. Dabei dehnt sich die Wand der Hauptschlagader an einer Stelle aus und wird dünner. Im schlimmsten Fall reißt sie – ein lebensbedrohlicher Notfall, der eine sofortige Operation erfordert. „Standardvorgehen war seit jeher das Öffnen des gesamten Brustkorbs“, erklärt Ezin Deniz. „Nach und nach haben sich zumindest für den ersten Teil der aufsteigenden Hauptschlagader aber auch minimal-invasive Verfahren durchgesetzt.“
An den sogenannten Aortenbogen habe man sich mit solchen innovativen Behandlungsmethoden jedoch lange Zeit nicht herangetraut, berichtet die Ärztin. Der Aortenbogen ist ein bogenförmiger Gefäßabschnitt der Aorta, von dem aus das Gehirn, Teile des Rückenmarks und die obere Extremität mit Blut versorgt werden – ein sehr sensibler Bereich also.

Schonendere Behandlung des Aortenbogens ist möglich!
Lässt sich auch dieser Bereich sicher mit einem minimal-invasiven Eingriff behandeln, anstatt den gesamten Brustkorb zu öffnen? Mit dieser Frage beschäftigt sich Ezin Deniz seit mehreren Jahren – und hat eine wissenschaftliche Antwort darauf gefunden: „Ja, die Behandlung des Aortenbogens über einen kleineren Zugang ist effektiv und sicher.“ Unter anderem sei das Verfahren schonender, die Patientinnen und Patienten seien innerhalb kürzester Zeit wieder mobil, das Risiko für Wundheilungsstörungen sinke, und der Krankenhausaufenthalt gestalte sich kürzer.
Einblicke in die Herzchirurgie bereits im Studium sammeln
Für ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse gewann Ezin Deniz den diesjährigen Georg-Wilhelm Rodewald Preis der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie. Ihr damaliger Mentor, Professor Dr. Aron-Frederik Popov, seit April 2025 Chefarzt der Herzchirurgie am Asklepios Klinikum Harburg, hat sie auf den Preis aufmerksam gemacht. „Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich seit jeher von Menschen wie Professor Popov und Professor Ruhparwar unterstützt und gefördert wurde “, sagt die Ärztin. Ezin Deniz hofft, dass der Georg-Wilhelm Rodewald Preis dazu beiträgt, noch mehr Aufmerksamkeit auf ihren innovativen Behandlungsansatz zu lenken, damit die Behandlungsmethode zukünftig häufiger im OP angewendet wird.
Und noch einen großen Wunsch hat Ezin Deniz: Dass sich immer mehr Frauen trauen, die Welt der Herzchirurgie zu betreten. Ihr sei es wichtig, eventuelle Berührungsängste mit ihrem Fachgebiet bereits im Studium abzubauen und Frauen im Praktischen Jahr unbedingt in die Herzchirurgie hineinschauen zu lassen – so, wie sie es selbst damals tat. „So finden die Studentinnen am besten heraus, ob ihnen das Fachgebiet liegt.“
Herzchirurgie: Medizinische Präzision trifft auf Menschlichkeit
Und warum liegt das Fachgebiet Ezin Deniz? „Ich arbeite unter Zeitdruck sehr gut, ich bin ein kleiner Adrenalin-Junkie“, sagt sie und lacht. Denn klar: In der Herzchirurgie ginge es immer um Leben und Tod – und das Arbeiten gegen die Zeit müsse man aushalten können. Was die Herzchirurgin allerdings ebenfalls besonders schätzt, ist die Präzision ihrer Arbeit. Die hohe Konzentration, die es möglich macht, Verantwortung für ein Menschenleben zu übernehmen – und die Freude, die sie empfindet, wenn alles glückt. So erinnert sie sich an eine junge Patientin mit akuter Aortendissektion, deren Überlebenschancen sehr schlecht standen und die sie nach erfolgreicher Operation und Genesung wiedertraf. „Solche Momente sind sehr emotional“, sagt sie und sie zeigen ihr jedes Mal auf Neue: „In der Herzchirurgie treffen medizinische Präzision und Menschlichkeit unmittelbar aufeinander – was für ein Geschenk!“